Die Scale of Equivalents

Der Rechenschieber für Chemiker nutzt das Gesetz der multiplen Proportionen bei der Bildung che­mi­scher Verbindungen, das John Dalton 1808 formuliert hatte. Als Konsequenz konnten Äqui­va­lent­ge­wich­te von Verbindungsbestandteilen definiert werden. Das machte die Analyse unbekannter Ver­bin­dun­gen über­sicht­licher. Man konnte nun den Gehalt der Elemente in einer Verbindung durch einfache Pro­por­tio­nali­täten berechnen. Da der Rechenschieber seine Stärken bei Dreisatzaufgaben bereits seit 1617 be­wie­sen hatte, lag es nahe, Skalen der Äquivalentgewichte mit einer logarithmischen Zah­len­fol­ge zu kom­bi­nie­ren. Diese Idee wurde 1813 von William Hyde Wollaston publiziert, und hatte durch­schla­gen­den Er­folg bei den Che­mi­kern. Eine Erklärung der Synoptic Scale of Equivalents habe ich in der vier­ten Auf­lage eines ein­füh­ren­den Lehr­buchs von Benjamin Scholz aus dem Jahr 1832 gefunden.

Aequivalentenscale.

Um das zwar einfache, jedoch zeitraubende Rechnen zu ersparen, hat man die stöchio­met­ri­schen Ta­bel­len mit den logarithmischen (Neperschen) Rechenstäben ver­bunden. Eine solche stöchio­met­ri­sche Tafel oder Aequi­valentscale besteht aus einem beyläufig 1 Fuß langen und 3 Zoll breiten Brettchen ABCD, mit einem eingefalzten, seiner Länge nach ver­schieb­baren Li­nia­le abcd in der Mitte. Auf dem verschiebbaren Li­nia­le sind Eintheilungen so angebracht, daß diejenigen Zahlen, welche in demselben geo­me­tri­schen Ver­hält­nis­se stehen, sich auch immer in gleichen Abständen befinden: der bloße Anblick der Figur zeigt, daß die Zahlen 10 und 20, 20 und 40, 40 und 80, 80 und 160, 160 und 320, welche in dem nählichen geo­me­tri­schen Verhältnisse stehen, auch gleich weit von einander abstehen. Wenn der Schie­ber sich, wie in Fig. A, in seinem Normalzustande befindet, werden die Nahmen der Körper, sowohl der einfachen als der zu­sam­men­ge­setzt­en, auf dem Brettchen von beyden Seiten so aufgetragen, daß jeder genau neben derjenigen Zahl auf dem verschiebbaren Liniale zu stehen kommt, welche seiner stöchio­met­ri­schen Zahl gleich ist. Die kleinen Striche bezeichnen noch genauer den Ort, wohin der ne­ben­ste­hen­de Körper in der Zahlenreihen gehöret. Will man nun mittelst dieser Vorrichtung er­fah­ren, wie viel eine gegebene Menge irgend eines auf der Tafel befindlichen Körpers von jedem seiner Be­stand­theile enhält: so muß man das Linial so schieben, daß die Zahl, welche das absolute Gewicht des ge­ge­be­nen Körpers ausdruckt, neben den Rahmen des­sel­ben zu stehen kommt; dann darf man die neben dem Nahmen seiner Be­stand­theile, oder neben dem Namen desjenigen Körpers, mir dem man ihn verbinden, oder durch den man ihn zerlegen will, stehenden Zahlen bloß ablesen.

Man will z. B. Schwefeleisen, d. h. Eisenprosulfid machen, und dazu 40 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Eisenspäne verwenden; wie viel braucht man Schwefel? Man stelle das Linial so, daß die Zahl 40 neben dem Eisen zu stehen kommt; nun findet man, daß nur wenig über dem Schwefel die Zahl 23 ½ stehet; folglich braucht man zur Ver­bin­dung von 40 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Eisen zu Schwefeleisen etwas mehr als 23 ½ Loth ca. 16,67 g Schwefel. — Schiebt man die Zahl 100 zum Schwefel, so entspricht dem Vitriolöhle die Zahl 305; 100 Pfund Schwefel können demnach 305 Pfund Vi­triol­öhl geben. Bey demselben Stand des Schiebers entspricht der wasserfreyen Schwe­fel­säu­re die Zahl 249, und dem Wasser 56: also sind in jenen 305 Pfund Vitriolöhl 249 Pfund wasserfreye Schwe­fel­säu­re und 56 Pfund Wasser enthalten. — Man erhält bey einer Ana­lyse 160 Gran 1 Gran ≈ ca. 65 mg schwe­fel­sau­ren Baryth; wie viel Schwe­fel­säure ist darin enthalten? Wenn man die Zahl 160 zu dem schwefelsauren Barythe scheibt, so findet man neben der wasserfreyen Schwe­fel­säure die Zahl 55; so viel Grane Schwe­fel­säure sind folglich in jenen 160 Gran schwefelsauren Baryths mit 105 Gran reinen Baryts verbunden. Die Schwe­fel­säu­re soll aber in der untersuchten Flüssigkeit nicht im freyen Zustande, sondern mit Natron verbunden als Glaubersalz vor­han­den gewesen seyn, wie viel Glaubersalz enthält die Flüssigkeit? Bey dem vor­han­de­nen Stande der Scale findet man neben dem wasserfreyen schwe­fel­sau­ren Natron die Zahl 98, und neben dem kry­stal­lisir­ten die Zahl 221; so viele Grane waren also von dem ersten oder den letztern in der un­ter­such­ten Flüssigkeit vor­han­den. — 5 Pfunde Kupfervitriol sollen durch Bley­zucker zerlegt werden, um es­sig­sau­res Kupfer zu be­rei­ten. Weil die Zahl 5 zu klein ist, so machet man die Pfunde zu Lothen; 5 Pf. 1 Pfund = 500 g sind 160 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g. Schiebt man die Zahl 160 zu dem kry­stal­lisir­ten schwefelsauren Kupfer, so lehren die bey den entsprechenden Körpern ste­hen­den Zahlen, daß man dazu 242 Loth ca. 16,67 g kry­stal­lisir­ten essigsauren Bleys (Bleyzucker) nöthig hat; daß man 127 ½ Loth 1 Lot ≈ 16,67 g kry­stal­lisir­ten Grünspans (essigsauren Kupfers) und 192 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Schwefels. Bleyes bekommt. — Man hat es mit 3 Pf. 1 Pfund = 500 g oder 96 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Kochsalz zu tun. Man schiebe die Scale so, wie in Fig. B (Tafel 5) zeigt, wo die Zahl 96 neben dem salzsauren Natron (Koch­salz) zu stehen kommt, und nun darf man, um die Quan­ti­täts­ver­hält­nisse, in welchen diese 96 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Koch­salz mit den übrigen auf der Tafel verzeichneten Körpern stehen, kennen zu lernen, die neben den letz­teren stehenden Zahlen bloß ablesen. 96 L. Koch­salz enthalten nähmlich 51 L. Natron und 45 L. Salz­säure, oder 38 L. Natrium und 58 L. Chlor. Man bedarf zu ihrer Zerlegung von jeder tropfbaren Schwe­fel­säure so viel, daß darin 66 L. wasserfreier Säure enthalten sind, 81 L. Votriolöhl von 1,840 spec. Gew., oder 122 L. wasserfreyen, oder 226 L. krystallisirten Ei­sen­vi­tri­ol. Man erhält durch diese Zerlegung 117 L. wasserfreyes, oder 262 L. krystallisirtes Glaubersalz, und bey der Zerlegung durch Ei­sen­vi­tri­ol noch über dieß 64 L. rothes Eisenoxyd. Zur Zerlegung dieser 96 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Kochsalz auf dem Wege der doppelten Wahl­ver­wandt­schaft braucht man 113 L. kohlensäuerliches Kali, 94 L. wasserfreyes oder 123 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g kry­stal­lisir­tes schwefelsaures Ammoniak, 278 L. salpetersaures Silber, 487 L. schwefelsaures Quecksilberoxyd. Im ersten Falle erhält man 87 L. wasserfreyes oder 234,5 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g krystallisirtes koh­len­säuer­liches Natron und 123 L. salzsaures Kali oder Digestivsalz; im zweyten Falle 88 L. Salmiak und 117 L. wasserfreyes, oder 262 L. krystallisirtes Glaubersalz; im dritten Falle 248 L. Hornsilber, und im vierten Falle 446 L. ätzendes Quecksilber-Sublimat u. dgl. m.

Scale of Equivalence Um den Gebrauch dieser Tafel, so viel es ohne Be­ein­trächtigung der Richtigkeit der mittelst derselben bewerkstelligten Rechnungen möglich war, zu ver­ein­fachen, hat man die einfachsten Verhältnisse an­ge­nom­men. — Der Sauerstoff hat auf der Tafel sie stö­chio­metrische Zahl 10; weil er aber vorzüglich häufig sich in mehreren Verhältnissen verbindet, sind auch einige der vielfachen Verhältnisse des Sauerstoffs mit 2 Sst., 3 Sst, 5 Sst. u. s. w. besonders bezeichnet worden. Da der Sauerstoff die Zahl 10 hat; so sollte der Wasserstoff die Zahl 1,2479, und der Kohlenstoff die Zahl 7,53 bekommen; dadurch wäre aber die Tafel zu lang und folglich zu unbequem geworden: man hat daher die Namen dieser zwey Stoffe zu den ihrem 10fachen stöchio­met­ri­schen Werthe, entsprechenden Zahlen gesetzt. Handelt es sich um das einfache Ver­hält­nis von Wasserstoff oder Kohlenstoff, so darf man nur die letzte Ziffer für einen Decimalbruch ansehen. Will man z. B. wissen, wie viel in 15 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Wassers Sauerstoff und wie viel Wasserstoff enthalten ist; so schiebt man die Scale beyläufig so, wie sie sich in Fig. B zeigt, wo 15 neben Wasser zu stehen kommt. Man findet dann beym Sauerstoffe beinahe 13,4, und bey 10 Wasserstoff die Zahl 16; davon muß man aber 6 als eine Decimalstelle wegschneiden: es bestehen also 15 Loth 1 Lot ≈ 16,67 g Wasser aus 24,4 L. Sauerstoff und 1,6 L. Was­ser­stoff. Bey dem selben Stand der Scale stehet Koh­len­säure bey 37; wie viel enthalten so viele Grane davon Kohlenstoff und Sauerstoff? Dem Kohlenstoff ent­spricht die Zahl 103, davon bleibt, wenn man die letzte Ziffer als ein Decimalbruch behandelt wird, 10,3; dann besteht die Kohlensäure auf 2 Atomen Sauerstoff; 2 Sauerstoff entspricht die Zahl 26,7: folglich enthalten 37 Gran Kohlensäure 10,3 Gran Kohlenstoff und 26,7 Gran Sauerstoff. — Wenn man nicht weiß, wie viele Atome von dem negativen Bestandtheile eines ge­wis­sen zusammengesetzten Körpers vorhanden seyen, so suchest man erst die Menge des positiven Be­stand­theils; das zum ganzen Gewichte des zu­sam­men­ge­setzten Körpers noch Fehlende muß der Menge des negativen Bestantheils gleich seyn, die man dann ent­weder bey dem ein-, zwey-, drey- oder mehrfachen Ver­hältnisse desselben, wenn diese, wie beym Sauer­stoffe, beym Wasser, und beym Chlor an­ge­ge­ben sind, finden wird. Z. B.: In Fig.B trifft sich bey der Schwe­fel­säure die Zahl 66. Wie viel Schwefel und Sauerstopff sind darin enthalten. Beym Schwefel findet man etwas mehr als 26; so viel Theile Schwefel sind darin. Beym einfachen Verhältnis von Sauerstoff steht die Zahl 13; diese macht mit 26 nicht 66; auch die Zahl 26, die beym zweyfachen Verhältnisse von Sauerstoff sich findet, macht mit den 26 Thln. Schwefel erst 52; die Zahl 40 aber, welche dem dreifachen Verhältnisse von Saurestoff entspricht, macht mit 26 gerade 66. Das krystallisirte Glaubersalz hat in der selben Figur die Zahl 267. Es bestehet aus 51 Theilen Natron und 66 Theilen Schwe­fel­säure, dann aus 10 Verhältnissen Wasser; denn erst die Zahl, welche bey 10 Wasser steht, 150, machet mit 51 und 66 die ganze Menge des Glaubersalzes 267. — Diese Beyspiele werden hin­reichen zu beweisen, daß man in solchen Fällen, wo es nicht auf die größte Genauigkeit ankommt, mittels der stöchio­met­ri­schen Tafel (wovon das Stück zum Ge­brauche ganz fertig um 1 fl. verkauft wird) in weniger als Einer Minute die Resultate von Rechnungen er­hal­ten kann, derer wirkliche Anstellung auch dem ge­übte­sten Rechner wenigstens eine Viertelstunde Zeit ge­kostet hätte.


Abgekürzte Formeln, mit welchen man zu­sam­men­ge­setzte Körper bezeichnet, gewähren eine leichte und augenblickliche Übersicht der chem. Constitution der letzteren. Zu diesem Zwecke braucht Berzelius als Zeichen für einfache Stoffe die An­fangs­buch­sta­ben der lateinischen Benennungen derselben. So be­deu­tet O den Sauerstoff (Oxygenium), H den Wasserstoff (Hydrogenium) und so weiter. Wenn die la­tei­ni­schen Nahmen mehrerer einfacher Stoffe denselben An­fangs­buch­sta­ben haben, so wird der nicht me­tal­lische mit dem einfachen An­fangs­buch­sta­ben bezeichnet; zu den An­fangs­buch­sta­ben der übrigen aber wird der nächste charakteristische Selbst- oder Mitlaut beygesetzt: so haben zum Beyspiel Car­bo­nium, Chlorum, Calcium, Cadminum, Chromium, Cererium, Cobaltum, Cuprum, denselben An­fangs­buch­sta­ben C; dieser bezeichnet aber nur Carbonium (den Kohlenstoff); die übrigen werden mit Chl, Ca, Cd, Chr, Ce, Co, Cu bezeichnet. In dem Verzeichnisse der einfachen Stoffe findet man neben jedem pon­de­rab­len seine Bezeichnung nach diesen Grundsätzen. —


Quelle:
Benjamin Scholz: Anfangsgründe der Physik, als Vorbereitung zum Studium der Chemie. Wien 1832.


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