Entfernungs- und Abstandsbestimmungen

Der Navigator kennt folgende Entfernungsbestimmungen:

  1. mit Höhenwinkelmessung:
  2. mit Horizontalwinkelmessung:

Versegelungspeilung

Bei der Versegelungspeilung fährt man mit konstanter Geschwindigkeit und konstantem Kurs eine zeitlang an einem Objekt mit bekannter Position, z. B. einer Tonne oder einer Landmarke, vorbei. Da man keine 2. Peilung hat kann man nicht unmittelbar einen Schiffsort bestimmen. Mit Hilfe des Sinussatzes lässt sich aber der Abstand zur Tonne, an der man vorbei gesegelt ist, berechnen.

Skizze Das Boot fuhr mit rwK 100° und einer Ge­schwin­dig­keit von 6,5 kn zwischen der ersten Peilung (rwP1 = 50°) bis zur 2. (rwP2 = 15°) 1 ¼ Stunde (75 min). Die Strecke a ist damit 8,125 sm lang (zur Erinnerung: das geht toll mit dem Rechenschieber zu lösen!). Die beiden anderen Dreiecksseiten b und c stehen zu der bekannten Entfernung a nach dem Sinussatz mit den Winkeln im Verhältnis.

Für die Entfernung zum Feuer bei der ersten Peilung gilt:

  • Formel,

für die bei der 2. Peilung entsprechend

  • Formel.

Jetzt folgt ein wenig Winkelarithmetik um die Winkel β und γ aus dem Kurs und den Peilungen zu berechnen.

  • β = Kurs - Peilung 1 = 100° - 50° = 50°;
  • für γ kann der Außenwinkel zu 100° - 15° direkt erkannt werden, damit ergibt sich
  • γ = 180° - 85° = 95°;

(geht auf dem Rechenschieber nicht einzustellen! Aber es gilt sin (180° - α) = - sin α, wir können also mit sin (180° - 95°) = sin 85° rechnen).

Der Winkel α ergänzt die Summe der beiden anderen zu 180° (Winkelsumme im Dreieck):

  • α = 180° - 50° - 95° = 35°.

Hinweis: Wenn man eine Seiten- bzw. Bordpeilung macht, also den Winkel zur Bootsachse misst, kann man sich die aufwändige Winkelberechnung sparen: man liest die Winkel β und γ direkt ab.


Beispielrechnung

Aus der Gleichung

  • Formel

erhält man den Ausdruck für die Länge von c:

  • c = a · sin γ ⁄ sin α = 8 sm · sin 85° ⁄ sin 35° = 13,9 sm

sin 35° ablesen und notieren (wird noch einmal gebraucht). Läufer auf 35° Skala S, auf Skala D ablesen: 0,574. Läufer auf 85° auf Skala S, 10 auf Skala C unter den Läufer, Läufer auf 8 (Skala C), 0,574 (Skala C) unter Läufer, bei 1 (Skala D) auf Skala C ablesen: 13,9 sm.

Aus der Gleichung

  • Formel

erhält man den Ausdruck für b:

  • b = a · sin β ⁄ sin α = 8 sm · sin 50° ⁄ sin 35° = 10,65 sm

Läufer auf 50° auf Skala S, 10 auf Skala C unter den Läufer, Läufer auf 8 (Skala C), 0,574 (Skala C) unter Läufer, bei 1 (Skala D) auf Skala C ablesen: 10,65 sm.

Die Entfernung zum Feuer betrug bei der 1. Peilung 13,9 sm, bei der zweiten 10,65 sm. Nun kann man zwei beobachtete Orte in die Karte eintragen: es sind dies die Schnittpunkte der Peilung zur Tonne mit den beiden Abstandskreisen. Die Unsicherheit ist in der Geschwindigkeitsmessung begründet.

Verfahren mit dem Rechenschieber

Nach diesem Schema würde man mit dem Taschenrechner rechnen. Der mit dem Rechenschieber geübte Navigator erinnert sich an die andere Form des Sinusatzes:

  • Formel,

oder in Worten:

"Die Seiten eines schiefwinkligen Dreiecks verhalten sich wie die Sinuswerte der den Seiten gegenüberliegenden Winkel."

Bei solchen Proportionalitäten spielt der Rechenschieber seine Vorteile aus: mit einer Einstellung der Zunge und Verschieben des Läufers erhält man alle gewünschten Werte.

Hat man die beiden Deckspeilungen β = 50° (1. Peilung) und γ = 95° (2. Peilung) (und daraus den drit­ten Winkel α = 35°, der der Seite a gegenüberliegt), und die Entfernung a = 8 sm, so stellt man den Läu­fer­strich über α = 35° auf der Sinusskala S und die versegelte Strecke a auf der Zungenskala C unter den Läu­fer­strich (in unserem Beispiel müssen wir noch die Zunge "durchschiebe", d. h. wir verschieben den Läufer auf die "1" der Skala C und verschieben die Zunge damit die "10" am anderen Ende der Skala unter dem Strich steht). Jetzt braucht man nur noch den Läufer nach einander auf die Winkel β und γ zu verschieben, und kann auf der Skala C direkt die Entfernung zum Objekt bei der ersten und der zweiten Peilung ablesen: zur ersten Peilung β = 50° gehört die 2. Entfernung b = 10,68 sm, zur zweiten Peilung sin γ = sin 95° = sin 85° gehört die erste Entfernung c = 13,85 sm.

Die Geschwindigkeit, mit der diese Rechnung möglich ist, sollte ein Taschenrechner einmal nachmachen!

Vierstrichpeilung, Verdoppelungspeilung

Eine Variante der Versegelungspeilung ist die Vierstrichpeilung. Bei ihrer Anwendung nutzt man die Ei­gen­schaf­ten des gleichschenkligen Dreiecks aus. Sie hat den Vorteil, dass man das Ergebnis im Kopf aus­rech­nen kann, und den Nachteil, dass man längere Zeit peilen muss, um den richtigen Zeitpunkt zu er­wi­schen.

In diesem Abschnitt wird unter "Peilung" immer die Deckspeilung verstanden, d. h. der Peil­winkel bezogen auf die Bootslängsachse!

Skizze Vierstrichpeilung Im gleichschenkligen Dreieck gilt: zwei Seiten sind gleich­lang, und die diesen anliegenden Winkel sind gleich. Ist das Dreieck zudem rechtwinklig, betragen die beiden der dritten Seite anliegenden Winkel 45° (weil die Win­kel­sum­me im Dreieck 180° beträgt). Peilt man nun ein Objekt unter 45°, und segelt bis man es querab (unter 90°) sieht, dann entspricht die versegelte Strecke der Entfernung zum Objekt am Ort der 90°-Peilung. (Durch die beiden Peilwinkel wird ein gleichschenkliges Dreieck definiert!) Der Name Vier­strich­pei­lung stammt aus der Zeit der großen Segler. Damals war der Kompass nicht in 360 Grad, sondern in 32 Striche eingeteilt. Jeder Strich ent­spricht 11,25°, und 45° sind entsprechend 4 Striche. Man segelt also unter kon­stan­tem Kurs mit konstanter Ge­schwin­dig­keit und stoppt die Zeit, die man zwischen der 45°-Peilung und der 90°-Peilung benötigt, rechnet mit dem Rechenschieber die Fahrtstrecke aus, und hat zur Pei­lung noch die Ent­fer­nung, also zwei Standlinien deren Schnittpunkt den Schiffsort definieren.

Skizze Versegelung Die Eigenschaft des gleichschenkligen Drei­ecks kann man zur "Pei­lungs­verdop­plung" aus­nutzen: immer, wenn der zweite Peilwinkel genau doppelt so groß ist wie der der ersten Peilung, ist die Entfernung zum Peilobjekt zur Zeit der zweiten Peilung genau gleich der seit der ersten versegelten Strecke. Denn der In­nen­win­kel im Dreieck, der zu dem Außen­win­kel 2 · α gehört beträgt 180° - 2 · α, der dritte Winkel am Objekt ist also

  • 180° - 2 · α - (180° - 2 · α) -2 α = α

⇒ das Dreieck muß gleichschenklig sein, denn zwei Winkel sind gleich. Das Problem der Ab­stands­mes­sung reduziert sich auf eine Zeit­mes­sung (wenn die Ge­schwin­dig­keit kon­stant war)! Den Rechenschieber braucht man nur noch, um die Fahrstrecke aus der Fahrt­zeit und der Geschwindigkeit zu berechnen.

Skizze Querabversegelung Gelegentlich kann es interessant sein, durch Peilung fest­zu­stellen, in welcher Entfernung man ein Hinderniss, z. B. ein Kap, querab passieren wird, ohne in der Karte Stand­orte und Kurse einzuzeichnen. Dazu gibt es Tabellen von Peilungs-Winkelpaaren, bei denen die Dwars­ent­fernung im Zusammenhang mit der ver­se­gel­ten Strecke steht.

Man unterscheidet Winkelpaare, für die die ver­se­gel­te Strecke gleich it der Quer­ab-Ent­fer­nung, und solche, für die die Dwars­ent­fer­nung ein Bruchteil der Versegelung ist. Hier unten stehen Beispeile. Mit der trigonometrischen Ableitung kann man leicht zusätzliche Winkelpaare finden.


Winkelpaare, für die versegelte Strecke der Querab-Entfernung zum gepeilten Objekt entspricht

Erste Peilung Zweite Peilung

22° 34°
25° 41°
27° 46°
29° 51°
32° 59°
40° 79°
44° 88°
45° 90°

Winkelpaare mit einem einfachen Zusammenhang zwischen versegelter Strecke und Querab-Abstand

Erste Peilung Zweite Peilung querab Entfernung

22,5° 45° 7 ⁄ 10 der Versegelung
30° 60° 7 ⁄ 8 der Versegelung


Trigonometrischen Erklärung

Skizze Das Schiff segelt auf der roten Linie. Am Ort A wird das Objekt C unter dem Winkel α, und nach einer Fahrt von A nach B (AB = c) am Ort B unter dem Winkel β gepeilt. Gefragt ist die querab Entfernung a vom Objekt C. (Die Strecke CD = a ist das Lot auf den Kurs des Schiffs.) Wir erkennen zwei rechtwinklige Dreiecke: ADC und BDC, und können mit der Definition der Winkelfunktionen die beiden Gleichungen formulieren:

  • Formel
  • Formel

Aus der zweiten Formel erhält man: x = a ⁄ tan β und kann x in der ersten Formel substituieren:

  • a = (c + x) · tan α = (c + a ⁄ tan β) · tan α

Da uns nur der Fall interessiert wo die versegelte Strecke a gleich der Dwarsentfernung a ist, können wir die Gleichung in der Form betrachten:

  • a = a · tan α + a · tan α ⁄ tan β
  • 1 = tan α · (1 + 1 ⁄ tan β)

Da diese Gleichung umständlich zu berechnen ist, formt man um:

  • Formel

Diese Gleichung ist transzendent, d. h. man kann sie nicht lösen — wie die Kepler-Gleichung. Man muss iterativ die Paare von α und β suchen, für die tan α · tan β ⁄ (tan β - tan α) = 1 ist, wenn die Ver­se­ge­lung c gleich dem Dwarsabstand a sein soll.

Man kann die Wertepaare der obigen Tabellen leicht mit MS® Excel® nachprüfen (und natürlich weitere Paare finden):

α β Faktor a ⁄ c

22° 34° 1,0
25° 41° 1,0
27° 46° 1,0
29° 51° 1,0
32° 59° 1,0
40° 79° 1,0
44° 88° 1,0
45° 90° 1,0

22,5° 45° 0,7 = 7 ⁄ 10
30° 60° 0,9 = 7 ⁄ 8


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