Zeitgenössische Definitionen der wissenschaftliche Begriffe aus Johannes Keplerss Werken
- Altitudo (Höhe)
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… Denn so die Entfernung des Punctes über den Horizont an der Fläche der Himmels - oder Erd - Kugel sich befindet, wird diese Höhe nicht mehr nach einer Perpendicular, sondern nach dem Bogen eines Vertical-Circkels gemessen, welcher zwischen dem gegebenen Puncte und dem Horizont enthalten ist. In der Astronomie heisset also die Höhe die Zahl der Grade in einem Vertical-Cirkel von dem Horizont angerechnet , bis in die Mitte des Cörpers , von dessen Ort die Rede ist. Folglich ist die Mittags-Höhe ein Bogen des Meridiani oder Mittags-Circkels zwischen dem Horizont und einem gegebenen Puncte im Mittags-Circkel. Z. B. dem Mittel-Punct eines Sternes. Es sey Tab. IX Fig. 15 HZRN der Mittags-Circkel, HR der Horizont, der Stern in S; so ist SH seine Mittags-Höhe. In der Astron. kömt auf die Mittags -Höhen der Sonne und der Sterne gar vieles, ja das allermeiste, an, dahero auch diejenigen, die sich auf das Observiren legen , mit dergleichen am meisten zu thun haben. Man gebrauchet aber hierzu theils die Quadranten, theils die grossen Gnomones oder Zeiger. … (Mathem. Lexicon Sp. 660)

- Anomalia (Anomalie)
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Anomalia æquata, coæquata, vera, die wahre, ingleichen die coæquirte Anomali, heisset der Winckel, welchen die Linea apsidum mit der Linie machet, welche entweder aus der Sonne in den Planeten, oder aus dem Mittel-Punct der Erde in die Sonne gezogen wird. Dieser Winckel ist nichts anders, als die Entfernung der Sonne von ihrem Apogæum, und die Entfernung des Planetens von seinem Aphelio, wie sie nemlich aus der Sonne gesehen wird. Es sey Tab. III Fig- 11 die Linea apsidum LA, die Sonne S, und das Aphelium in A, der Planete in P, so ist der Winkel ASP, die wahre Anomalie. … (Mathem. Lexicon Sp. 76)
- Anomalia Eccentrici (exzentrische Anomalie)
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wird der Bogen eines eccentrischen Circkels genennet, welcher zwischen dem Aphelio des Planeten und der Linie, die durch den Planeten auf der Lineam apsidum perpendicular gezogen wird, sich befindet. Wenn z. B. Tab. II Fig. 12 die Linea apsidum LA, in P der Planete, die halbe Bahn des Planetens APL, der halbe eccentrische Circkel dargegeb AEL, und endlich EC auf LA perpendicular gezogen, so ist AE die Eccentrische Anomalie. … (Mathem. Lexicon Sp. 77)
- Anomalia media (mittlere Anomalie)
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ingleichen der Winckel der mittleren Bewegung heisset die Entfernung des Planetens von der Linea apsidum nach der mittleren Bewegung. Es sey Tab. III Fig. 13 LA die Linea apsidum, die Erde in T, die Sonne in S, und also die Bahn der Sonne um die Erde RSE, die Ecliptick aber APIL, so ist der Winckel LTI oder auch der Bogen LI die mittlere Anomalie der Sonne. … (Mathem. Lexicon Sp. 77 ff.)

- Antilogarithmus ()
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heißt in der Trigonometrie, woselbst man Bequemlichkeit halber die logarithmische Rechnung brauchet, der Logarithmus Sinus Complementi, oder Cosinus, davon an seinem Orte mehrere Nachricht anzutreffen. (Mathem. Lexicon Sp. 82)
- Apogaeum (Apogaeum)
- wird in der Astronomie der Punct in der Bahn der Sonne und des Mondes genennet, wo diese von der Erde am weitesten sind; … (Mathem. Lexicon Sp. 85 )
- Apsidum linea (Hauptachse der Ellipse)
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wird die gerade Linie genennet, welche aus dem Apogaeo in das Perigaeum, oder aus dem Aphelio in das Perihelium gezogen wird. In der neuen Astronomie, worinnen wir gewiß sind, daß die Planeten eine elliptische Bahn in ihrer Bewegung machen, ist die Linea Apsidum die grosse Axe der Ellipse. … (Mathem. Lexicon Sp. 90 f.)
- Apsis ima (Perigaeum)
- Apsis summa (Apogaeum)
- Ascensio (Aufstieg)
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die Ascension wird in der Astronomie ein Punkt des Aequatoris genennet, der mit einem Sterne oder andern gegebenen Puncte des Himmels zu gleicher Zeit entweder durch den Morgen-Horizont, oder durch den Meridianum gehet, und wird auf folgende Art unterschieden, nemlich: Ascensio recta, die gerade Ascension heisset der Punct des Aequatoris, welcher mit der Sonne oder einem Sterne u. andern gegebenen Punct des Himmels zu gleicher Zeit durch den Meridianum gehet. … (Mathem. Lexicon Sp. 106 f.)
- Deferens (?)
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wird in der alten Astronomie ein Circkel genennet, worinnen entweder ein Planete oder der Mittel-Punct eines Epicycli sich beweget; Er bekommt verschiedne Nahmen, als: Deferens Epicyclum in der Theorie der Planeten, welche sich nach der Meinung der Alten in Epicyclis bewegen sollen; Deferens Lunae in der Theorie des Mondens; Deferens Solis, in der Theorie der Sonne; Deferens Nodos, in der Theorie der Planeten, wodurch man die Bewegung der Knoten zu erklären gesuchet, davon Mastlinus in Epit. Astron. Lib. II p.192, Purbachius in Theoricis Planetarum, und Wurstifius in quaeftionibus in easdem weitläufftig handelt. Zu mehrer Deutlichkeit dieses beschriebenen Cirkels kan dasjenige nachgelesen werden, was unter dem Wort Theoria Planetarum anzutreffen. (Mathem. Lexicon Sp. 369.)
- Distantia (Entfernung, Weite)
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heisset die kürtzeste Linie zwischen zweyen Puncten. … Die Weite hingegen hzweyer Puncte auf einer Kugel-Fläche, z. B. zweyer Örter auf der Erd-Kugel ist der Bogen des grösten Circkels, der durch die beyde Öretr um die Erd-Kugel herum beschrieben worden. … (Mathem. Lexicon Sp. 398 f.)
- Eccentricitas (Exzenrizität)
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Es setzet aber Kepler, daß die Planeten dergestalt in einer Ellipsi Tab. XIII Fig 3 ELIP, in deren einem Brenn-Puncte S die Sonne ist sich bewegen, daß der Radius Vector SR, das ist, die Linie, die aus dem Mittel-Punct der Sonne in den Mittel-Punct des Planetens gezogen wird, in gleicher Zeit gleiche Sectores ellipticos oder Elliptische Ausschnitte ISR beschreibet, und die Quadrate von der Geschwindigkeit der Bewegung sich in verschiedenen Planeten verhalten, wie die Cubi ihre Weite von der Sonne. Die Linie EI, welche sonst die Axe der Ellipsis heisset, wird hier Linea Absidum, ingleichen Linea Aphelii & Perihelii genennet, und gehet in den Haupt-Planeten durch die Sonne. Wenn nun der Planete in E ist, so stehet er der Sonne am nahesten; befindet er weitesten von sich aber in I, so ist er am weitesten von ihr weg; Und dahero ist in E sein Perihelium und in I sein Aphelium. Der Circkel ENIT, welcher aus dem Mittel-Punct der Ellipsis C mit ihrer halben Axe CE durch E und I beschrieben wird, heisset Eccentricus, oder der Eccentrische Circkel. Ferner heisset nach dem Kepler in seiner Theorie der Punct E Absis ima, und hingegen der andere I Absis summa. Die halbe Bahn ELI, oder auch der halbe Eccentrische Circkel ENI, Semissis Descendens, die niedersteigende Helffte. Hingegen die andere Helffte EPI oder auch ETI, da der Planete von dem Perihelio E zum Aphelio I sich beweget, Semissis Ascendens, die aufsteigende Helffte, die Linie SC zwischen dem Mittel-Punct der Sonne und dem Mittel-Punct der Bahn des Planetens Eccentricitas oder Eccentricität; Die Linie SR, so aus dem Mittel-Punct der Sonne S in den Planeten R gezogen wird, Intervallum, die Weite von der Sonne, ingleichen Longitudo, die Länge, und zwar Longitudo longior, die lange Länge, die Weite im Aphelio SI, und Longitudo brevior, die kurze Länge, die Weite im Perihelio SE: Longitudo media prima, die erste mittlere Länge, die Weite SL; und denn Longitudo media secunda, die andere mittlere Länge, die Weite SP; der Unterschied zwischen der mittleren und einer jeden andern Länge Libratio; die Linie LP; oder die kleine Axe der Elliplis Diacentrus, die Mittel-Puncts-Linie; Die Linie DH, welche durch die Sonne oder den Brenn-Punct S mit der letzten parallel gezogen wird, Dihelius, die Sonnen-Linie. Die Zeit, welche der Planete in einem Bogen seiner Bahn IR von dem Aphelio I angerechnet, zubringet, oder auch der Inhalt des Sectoris ISR, welcher zu der ganzen Ellipsi eben die Verhältniß hat, die sich zwischen der Zeit, da er den Bogen IR beschreibet, zu der Zeit, darinnen er die ganze Bahn durchläufft, befindet, Anomalia media, oder die mittlere Anomalie; der Bogen des Eccentrici IA zwischen der Linea Absidum El und dem Perpendickel GRA, welches aus dem Planeten auf die Lineam absidum fällt, Anomalia Eccentrici, die Eccentrische Anomalie; Der Winckel RSI, den das Intervallum RS mit der Linea Absidum El im Mittel-Punct der Sonne macht, Anomalia coaequata, die coäquirte Anomalie, oder auch Angulus ad Solem, der Sonnen-Winckel; Der Unterschied zwischen der mittleren und coaequirten Anomalie, Aequatio oder auch Prosthaphaeresi. … (Mathem. Lexicon Sp. 439 ff.)
- Ecliptica (Ekliptik)
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ist ein Circkel in der unbeweglichen Fläche der Welt-Kugel, welcher den Aequatorem unter einem Winckel von 23° 30′, oder nach denen neuesten Observationibus von 23° 28′ 22″, in zwey Puncten durchschneidet. Unter diesen Circkel scheinet die Sonne in einer Jahres-Frist sich von Abend gegen Morgen zu bewegen, und hat dieser seinen Nahmen von den Sonn- und Mond-Finsternissen bekommen. … (Mathem. Lexicon Sp. 420 ff.)
- Epicyclus (Epizykel)
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heisset in der alten Astronomie ein Circkel, worinnen sich der Planete beweget, indem sein Mittel-Punct in der Peripherie des Eccentrici fortrücket. Es sey Tab.XIII Fig. 5ACB ein Circkel, in dessen Peripherie sich der Mittel-Punct C von dem andern Circkel D beweget, darinnen der Planete herum gehet; So heisset eben dieser Circkel D der Epicyclus. Und zwar wird er Concentrepicyclus oder auch Homocentrenenpicyclus genennet, wenn ACB ein concentrischer Circkel ist; hingegen Eccentrepicyclus, wenn er ein eccentrischer ist. Es wurden die Epicycli gebrauchet, die Ungleichheit in der Bewegung der Planeten zu erklären, die von der Bewegung der Erde um die Sonne herrühret, wie auch die andere Ungleichheit, die man in der eigenen Bewegung des Mondes verspüret. Und da diese Alten auch mit den Epicyclis nicht auskommen konten, sesten sie den Mittel-Punct noch eines dritten Circkels in die Peripherie des andern, und nenneten diesen letzten Epicycepicyclum. … (Mathem. Lexicon Sp. 448.)
- Excessus (Überschuss)
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heisset in der alten Astronomie ein Bogen der Ecliptick, welches den Unterschied giebt zwischen denen Aequationobus Epicycli in der mittleren Weite von der Erde, und denen in der grösten: Dahero Excessus longitudinis longioris der Ueberschuß der grössern Länge genennet wird; da hingegen der Unterschied zwischen den Aequationobus Epicycli in der mittleren Weite von der Erde und denen in der geringsten der Ueberschuß der näheren Länge; Excessus longitudinis proprioris genennet wird. … (Mathem. Lexicon Sp. 473.)
- Gnomon (Gnomon)
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heisset in der gemeinen Geometrie eine Figur Tab. X Fig. 13 ABDKCH, welche entstehet , wenn man die Linie IH und KL mit denen Seiten AB und BD eines Parallelogrammi ABDE parallel ziehet. Die beyden Parallelogramma ALCH und CIDK, woduch die Diagonal BE nicht gehet, nennet Euclides Complementa.
In der Arithmetick heissen Gnomones oder zeiger, die Glieder der Arithmetischen Progreßionen, aus deren Summirung die Polygonal-Zaahlen entstehen. Wenn man z. B. in der Progreßion 1, 2, 3, 4, 5, 6 und s. f. nach einander zwey, drey, vier, fünf, sechs Glieder u. s. w. summiret, so kommen die Trogonal-Zahlen 1, 3, 6. 10, 15, 21 u. s. f. heraus, in Ansehung dieser letzten werden die ersten Gnomones oder Zeiger genennet. (Mathem. Lexicon Sp. 596)
- Latitudo (Breite)
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heisset in der Astronomie, die Entfernung eines Punctes auf der Fläche der Welt-Kugel von der Ecliptick, das ist, der Bogen eines Cirkels zwischen dem gegebenen Puncte und der Ecliptick, welcher durch die Pole der Ecliptick und deren gedachten Punct beschrieben wird. Es sei z. B. Tab. VII Fig. 2: EL die Ecliptick, in P ihr Pol, in S der gegebene Punct; so ist DS desselben Breite. … (Mathem. Lexicon Sp. 235)
- Latus rectum (Parameter der Ellipse)
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… In der Ellipse und Hyperbel aber ist es die dritte Proportional-Linie zu dem Diametro transversa. Apollonius nennet diese Linie Latus rectum. (Mathem. Lexicon Sp. 984)
- Logarithmus (Logarithmus)
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ist eine Zahl aus einer Arithmetischen Progression, die sich von 0 anfängt, und deren Glieder sich auf eine Geometrische Progression beziehen, wovon das erste Glied 1 ist. … (Mathem. Lexicon Sp. 814 ff.)
- Longitudo (Länge)
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In der Astronomie idt die Länge eines Planeten oder Sternes der Bogen der Ecliptick vom Anfang des Widders bis zu seinem Ort in der Ecliptick nach der Ordnung der Zeichen, das ist ein Theil der Ecliptick, so zwischen dem Anfange des Widders und dem Circkel der Breite eines Sternes enthalten. Es sei Tab. VII Fig. 2 EL die Ecliptick, in E der Anfang des Widders, in S der Stern oder Planete, Pp der Breiten-Circkel, so ist ED die Länge des Sternes. … (Mathem. Lexicon Sp. 777 ff.)
- Perigaeum (Erd nächster Punkt der Umlaufbahn)
- heisset der Punct, wo die Sonne oder der Mond in ihrer Bahn der Erde am nächsten ist. Er ist dem Apogaeum entgegen gesetzet, und also 180° von ihm entfernt. … (Mathem. Lexicon Sp. 991.)
- Ordinatim applicata (Ordinate)
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heissen gerade Linien, welche innerhalb einer krummen mit einander parallel gezogen, und von der Axe oder einem einem Diametro in zwey gleiche Theile abgetheilet werden; wiewohl man ihnen auch offt eben diesen Nahmen giebt, wenn sie gleich von der geraden Linien, aus deren Puncten sie ausgezogen sind, in zwey gleiche Theile geschnitten werden. Es sey z. B. Tab. II Figur. 3, OAR die krumme Linie, AX die Axe oder der Diameter derselben, so heissen die Linien OR die Ordinaten. Diese Linien brauchet man, wenn die krummen Linien von einander durch gewisse Eigenschafften unterscheiden will. (Mathem. Lexicon Sp. 958 f.)
- Reductio Æquationis (Auflösen der Gleichung)
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ist der dritte und vornehmste Theil der Algebraischen Auflösung, und begreiffet die Absonderung der unbekanten Glieder von den bekannten vermittelst der gewöhnlichen Rechnungs-Arten. … (Mathem. Lexicon Sp. 1094.)
- Sinus (Sehne)
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Sinus rectus, heisset in der Trigonometrie die halbe Sehne des doppelten Bogens. Es sey Tab. XV Fig. 8, HE die Sehne des Bogens HAE, oder auch des grossen HIE; so ist die Helffte davon DE der Sinus des halben Bogens AE, oder auch des halben Bogens EI, ingleichen des Winckels ACE oder auch des Winckels ICE. Nemlich wenn man aus der Spitze eines Winckels C mit beliebiger Eröffnung des Zirckels innerhalb den Schenckeln, einen Bogen AI beschreibet, und alsdenn aus E eine Perpendicular-Linie ED auf AC fället, so heisset DE der Sinus des Winckels ACE und seines Maasses AE. … (Mathem. Lexicon Sp. 1209 f.)
- Sinus versus (Pfeil)
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Sagitta, heisset der Theil von dem halben Diameter des Circkels, der zwischen dem Bogen und seinem Sinu lieget. Es sey z. B. Tab XV Fig 8, AC der Radius des Circkels, ED der Sinus des Bogens AE, so ist AD der Sinus versus. … (Mathem. Lexicon Sp. 1211.)
- Theorica (Erklärung)
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heisset derjenige Theil der Astronomie, welcher die eigene Bewegung der Planeten erkläret. Er wird von den Alten gantz anders als von den Neuern abgehandelt. … Die Figur, welche der Mittel-Punkt der Planeten um die Sonne beschreibt, und die Gesetze, so sie darbey in acht nehmen, hat der scharfsinnige Kepler durch vieles Nachdenken heraus gebracht. … (Mathem. Lexicon Sp. 1302 ff.)
- Quelle:
Christian Freiherr von Wolff: Vollständiges Mathematisches Lexicon. Leipzig 1747.
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