Materie, materieller Stoff, körperlicher Stoff (Materia corporum)
Dasjenige, woraus die Körper bestehen, oder was dieselben undurchdringlich macht. Mit dem Begriffe des Körperlichen ist allezeit auch der Begriff der Ausdehnung verbunden; aber dieser allein erschöpft noch nicht das ganze Wesen des Körpers. Die Vorstellung des Ausgedehnten bleibt noch in der Einbildungskraft zurück, wenn wir uns den Körper aus seinem Raume herausgenommen denken. Es gehört also zum Wesen des Körpers außer der Ausdehnung noch Etwas, das den Raum erfüllt, oder verursacht, dass in eben demselben Raume außer dem Körper nicht noch etwas anderes sein kann. Dieses Etwas nennen wir Materie.
Der allgemeine sinnliche Schein stellt uns die Materie als ausgedehnt, undurchdringlich, teilbar und träg vor; er belehrt uns auch, dass die Teile der Materie auf uns und auf einander selbst, auch wir auf sie, wirken, dass diese Wirkung in Bewegung oder in Streben nach Bewegung besteht, dass dies Ursachen, die wir Kräfte nennen, voraussetze u. s. w. Wir bemerken zugleich, dass die Tätigkeiten und Zustände unserer eigenen Selbst den Ideen, die wir von außen her durch die Materie empfangen, durchaus unähnlich sind, und nach ganz anderen Gesetzen erfolgen. Daher nennen wir unser Selbst einen Geist, unterscheiden die Materie von uns, und von dem Selbst anderer Menschen, die eben dasselbe Gefühl von Geistigkeit offenbaren, und teilen so die ganze Welt in geistige und materielle Dinge ein. Die Physik, welche bloß die Eigenschaften, Erscheinungen und Gesetze des Materiellen nach dem allgemeinen sinnlichen Scheine untersucht, überlässt zwar alle Fragen über das wahre Wesen der Materie, über ihren Unterschied von den geistigen Dingen, die Art ihrer Einwirkung auf den Geist, die Natur der Kräfte u. s. w. der Metaphysik. Da doch aber die Materie einmal den Gegenstand der Physik ausmacht, so wird es nicht unschickliche sein, etwas von den Vorstellungen anzuführen, welche sich die Weltweisen von dem Wesen derselben und von der wahren Beschaffenheit der Körperwelt gemacht haben.
Die Meinungen der ältesten Philosophen scheinen dahin gegangen zu sein, dass die materielle Welt aus Teilen bestehe, in welchen lebendige und seelenartige Kräfte wohnten, die man als Teile und Ausflüsse eines allgemeinen Weltgeistes betrachtete. Darin vereinigen sich die Behauptungen der meisten philosophischen Schulen Griechenlands. Sie erkannten die Materie für etwas aus den Teilen zusammengesetztes, und nannten die Kräfte, die sie diesen Teilen zuschrieben ΐοιοτητας, welches Wort Cicero durch qualitas übersetz hat. Man wird sich hieraus den Ursprung der in der scholastischen Philosophie so häufig vorkommenden verborgenen Qualitäten, z. B. der Furcht für der Leere, des Bildungstriebs, und anderer der Natur beigelegten Neigungen, erklären können. Inzwischen stellte man sich diese Teile immer noch materiell und ausgedehnt vor, wie denn überhaupt der Begriff von reiner Einfachheit und Geistigkeit im ganzen Altertum nicht vorkommt, und selbst die Weltseele entweder bloß materiell oder als eine in seine Materie eingekleidete Denkkraft angenommen wird.
Leucipp und Demokrit unternahmen es, die Körperwelt ohne Weltgeist, und ohne solche von ihm abstammende Kräfte zu erklären. Sie setzten dabei einen leeren Raum voraus, und leiteten das übrige bloß aus ersten kleinsten Teilen oder Atomen her, denen sie nichts weiter, als die allgemeinen Eigenschaften der Materie, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Schwere und Bewegung, beilegten. Daher sagt Diogenes vom Demokrit, er habe die ποιοτητας aus der Physik vertrieben. Darin besteht auch allein das Eigene dieser sogenannten atomistischen Philosophie (physica corpuscularis), welche nachher von der epikureischen Schule angenommen, und von Lucrez in dem Gedicht De rerum natura mit vielen Zusätzen vorgetragen worden ist. Denn die Idee, dass die materielle Welt aus den ersten Teilen bestehe, ist, wie Cudworth erweist, weit älter, als Leucipp, und mehreren Schulen mit der epikureischen gemein gewesen. Der Unterschied liegt nun darin, dass die Epikuräer diese Atome für nichts weiter, als Materie, erklärten, da ihnen die übrigen gewisse lebendige Kräfte beilegten. Dass Augustin dem Demokrit die Meinung von beseelten Atomen beilegt, kommt von einer übel verstandenen Stelle des Cicero her, welche sich auf die ειδωλα dieses Weltweisen, und gar nicht auf die Atome bezieht. Dass dieses System von Epikur und Lucrez mit Ideen verbunden ward, welche auf den Atheismus führten, ist zufällig, und kann dem Hauptbegriffe desselben nicht zum Vorwurf gereichen. Gassendi hat es hiervon zu reinigen, den leeren Raum gegen die Peripateriker zu verteidigen, und die Physik ganz mechanisch aus den Figuren und anderen Eigenschaften bloß materieller Atome herzuleiten versucht, wodurch die neuere atomistischen Physik entstanden ist.
Descartes, dessen Philosophie so schön von dem Bewusstsein unserer eigenen Denkkraft ausgeht, unterschied genau das Geistige oder durchaus Einfache von dem Materiellen, und setzte das Wesen dieses letzteren ganz allein die Ausdehnung. Er lehrt uns den Anfang der Betrachtungen damit machen, dass wir an allem, was außer uns ist, zweifeln. In diesem Augenblicke, sagt er, wissen wir nichts gewiss, als das Cogito ergo sum. Wir fühlen, dass Ausdehnung, Figur, Bewegung, und was sonst den Körpern zugehört, zu unserem Selbst nicht gehöre, weil dieses letztere bloß in der Denkkraft besteht, von der wir schon überzeugt sind, indem wir an allem anderen noch zweifeln. So wird der wesentliche Unterschied zwischen Geist und Körper ein Hauptsatz seines Systems, dem man den Namen des Dualismus gegeben hat, weil es alle Wesen in die zwei ganz verschiedenen Klassen der geistigen und körperlichen einteilt.
So, wie Descartes das Wesen der Geister in die reine Einfachheit setzt, so nimmt er die Materie als zusammengesetzt an aus Teilen, die zwar in der Wirklichkeit unteilbar oder Atomen, im Verstande aber noch teilbar, oder ausgedehnt sind. Ausdehnung ist ihm so ganz einerlei mit Materie, dass er alles Ausgedehnte ohne Materie, allen leeren Raum, schlechterdings leugnet. Wenn man, sagt er, die körperliche Substanz von der Ausdehnung oder Größe trenne, so bleibe entweder gar keine Substanz mehr, oder doch nur ein verworrener Begriff von geistiger Substanz übrig; der wahre Begriff von körperlicher Substanz bleibe immer da, wo man die Größe oder Ausdehnung hinsetze. Er lässt also den Schöpfer seine Welt aus einem harten Stoffe bilden, den die Allmacht in Teile von unendlich verschiedenen Gestalten zerschlägt und in Bewegung setzt.
Dieses System des Descartes gehört ebenfalls zu den atomistischen, in sofern die letzten darin angenommenen Teilchen einerlei Wesen mit Materie selbst haben. Dennoch sind diese Teilchen von den Atomen der Alten, wie sich Descartes selbst ausdrückt, darin unterschieden, dass sie an sich noch teilbar sind, dass sie sich in keinem leeren Raume befinden, dass ihnen die Schwere nicht eigen ist, sondern erst durch ihre Lage und Bewegung gegen andere Körper bestimmt wird, und dass endlich die Entstehung der Welt aus ihnen ganz anders, als bei den Alten, hergeleitet werden muss. Das hypothetische und erfahrungswidrige des physikalischen Teils von diesem System ist an mehreren Stellen dieses Wörterbuchs gezeigt worden: der metaphysische Teil lässt die Schwierigkeit zurück, dass die Ausdehnung selbst nur Schein der Sinne ist, und dass die Verknüpfung zwischen geistigen und materiellen Dingen im kartesischen Dualismus äußerst schwer zu erklären bleibt, daher auch Descartes selbst hierzu eine beständige Assistenz der Gottheit anzunehmen genötigt war.
Newton hat sich zwar nie in das Gebiet der Metaphysik gewagt; inzwischen äußert er doch an einigen Stellen seiner Schriften, dass er die Materie für eine Zusammenhäufung kleinster Teilchen erkenne, welche selbst materiell und ausgedehnt sind, und durch eine Kraft, deren Natur er unentschieden lässt, sehr stark untereinander zusammenhängen. Hierauf führen auch die von ihm angegebenen Naturgesetze, z. B. dass sich die Gravitation nach der Masse oder Menge der materiellen Teile des anziehenden Körpers, und jede bewegende Kraft nach der Masse des bewegten Körpers richtet, u. s. w. So gehört Newtons Physik ebenfalls zu den atomistischen Systemen, welche den ersten teilen der Materie Ausdehnung, Undurchsichtigkeit, Härte und Trägheit beilegen. Übrigens bestreitet dieser große Lehrer der Physik den vollen Raum des Descartes, und den falschen Begriff, dass Materie nichts weiter als Ausdehnung sei, erweist die Anziehung als allgemeines Phänomen der Körperwelt, lässt aber ihre Ursachen und die Natur der Kräfte überhaupt unentschieden, und wagt sich noch weniger an die Erklärung des großen Geheimnisses, wie Materie und Geist in einander wirken, oder wie, nach Hallers Ausdrucke, Wesen fremder Art der Seelen Werkzeug sind.
In der Tat bleibt auch der Physiker, der sich ohnedem nur mit dem sinnlichen Scheine beschäftigt, am besten bei dem atomistischen System stehen, welches mit diesem Scheine die meiste Übereinstimmung zeigt. Da er doch die Existenz der Materie annehmen muss, und bei allen Teilen derselben das Materielle wiederfindet, so kann er fast nicht umhin, dasselbe auch an der letzten Grenze der wirklichen Teilungen vermuten, und sich in diesem Sinne Atome zu denken. Hiermit kann er nun alle physischen Erfahrungen und Gesetze wohl vereinigen. Er kann aber auch dabei die sinnliche Vorstellung von dem, was wirklich ist, unterscheiden, und es für sehr möglich halten, dass Materie etwas ganz anderes sei, als was sie zu sein scheint. Nur ist es die Pflicht für ihn, hierüber seine gänzliche Unwissenheit zu gestehen.
Die Schwierigkeiten, welche der artesische Dualismus in Absicht auf die Verknüpfung zwischen Geist und Materie zurücklässt, haben eine Menge metaphysischer Systeme veranlasst. Dahin gehört zuerst der Idealismus, nach welchem es gar keine materielle Welt gibt, und die Ideen davon bloß Vorspiegelungen sind, welche die Gottheit in unseren Seelen erweckt. Descartes hatte selbst zu dieser Meinung Anlass gegeben, in dem er das Dasein der Materie bloß aus dem Grunde erweist, dass uns Gott nicht täuschen werde, auch sogar zur Entstehung der Ideen von Materie die Mitwirkung der Gottheit für nötig hält. Hierauf baut nun der P. Malebranche den Satz, dass wir alle Dinge in Gott sehen, und dass selbst der Glaube verstatte, die Existenz aller Dinge außer Gott und den Geistern zu leugnen. Den scheinbaren Zusammenhang Noch weiter gehen die Systeme von zwischen Seele und Körper erklärte er also ebenfalls aus der unmittelbaren Wirkung der Gottheit (systema causarum occasionalium). Berkeley machte den Idealismus demonstrativ, und zeigte, dass uns die Gottheit dabei nicht einmal täusche, weil allerdings etwas außer uns existiert, nämlich die göttlichen in unseren Geist wirkenden Ideen. So befriedigend auch die Antworten sind, welche man den angeblichen Beweisen einer Unmöglichkeit der Materie entgegensetzen kann, so gestehen doch alle Metaphysiker, dass man dem Idealisten die Überzeugung von der Wirklichkeit der Außenwelt nicht aufdringen könne.
Noch weiter gehen die Systeme des Spinoza und Hume. Im ersten wird alles aus einer einzigen Substanz erklärt, welche in unendlicher Denkkraft und Ausdehnung besteht, so, dass alle geistige Erscheinungen Zustände dieser einzigen Denkkraft, und alles materielle Phänomene eben dieser einzigen Ausdehnung sind. Sehr deutlich drückt dies Mendelssohn aus: Spiniozas Welt, oder vielmehr Gott, sei eben dasselbe Weltideal, welches nach Plato und Leibnitz vor dem Anfange der Dinge als ein Plan in einem göttlichen Verstande vorausgesetzt wird. Humes System leugnet sogar alle Substanzen, Subjekte und selbstständige Dinge, und lässt die ganze geistige sowohl als materielle Welt aus einer Menge und Reihe vorübergehender Erscheinungen bestehen, aus einem Wechsel, worin nichts ist, das immer selbstständig bleibe.
So, wie beim Idealismus das Dasein der Materie geleugnet wird, so sucht hingegen der allgemeine Materialismus alle Erscheinungen aus materiellen Substanzen allein zu erklären. Dahin gehören schon viele Systeme der Alten, welche überhaupt in ihre Begriffe von den Seelen immer etwas Ausgedehntes einmischen, ob man sie gleich darum nicht alle des groben Materialismus beschuldigen kann. Unter den Neueren ist der Satz, dass der Mensch eine Maschine sei, hauptsächlich von la Mettrie und dem Verfassen des Systeme de la nature behauptet worden. Schon die Betrachtung, dass ein Gedanke, als eine Vergleichung mehrerer Gegenstände, in einem zusammengesetzten Dinge unmöglich ist, verbunden mit dem Selbstgefühl von einem im Körper lebenden besonderen Wesen, ist hinreichend, diesen Materialismus zu widerlegen. Hierzu kommt noch, dass aus allen möglichen Verbindungen, Trennungen und Bewegungen der Materie sich nie das Entstehen eines Bewusstseins oder Gedankens, nie die Auffassung und Vergleichung der Ideenbilder erklären lässt. Herr de Luc hat über die Natur des Menschen und die wesentliche Verschiedenheit des empfindenden Wesens von seinen Organen sehr lehrreiche und eines denkenden Physikers würdige Betrachtungen angestellt, welche die Unzulänglichkeit des Materialismus, aber auch die engen Grenzen unserer Kenntnisse von der Welt überhaupt, sehr deutliche zeigen.
Mitten unter den gegeneinander laufenden Meinungen der Dualisten, Idealisten und Materialisten fand Hr. von Leibnitz einen sinnreichen Ausweg. Die Argumente der Idealisten, dass der aus unserem Selbstgefühl entstandene Begriff der Existenz nur auf geistige Wesen, wie wir selbst sind, übertragen werden könne, und dass unsere Begriffe von Materie sich doch am Ende bloß im Begriffe von Erscheinungen und Eigenschaften auflösen, schien ihm stark genug, um Zweifel gegen die Wirklichkeit ausgedehnter Atome zu erregen, die doch, in sofern sie ausgedehnt sind, wenigstens im Verstande teilbar, und also keine wahren ausdrücklichen Einheiten wären. Dem zufolge nahm er die Ausdehneng selbst mit allen sinnlichen Eigenschaften für einen bloßen Schein an., der aus einer zusammenfließenden verworrenen Vorstellung einfacher Substanzen entstehe. Diese einfachen Dinge oder Monaden sieht er als ähnlich mit den geistigen Substanzen, als Vorstellungskräfte an, deren jede ihre bleibende Grundbestimmung hat. Die ganze Welt macht eine stetige Reihen von solchen Vorstellungskräften aus, deren Beschaffenheit und Größe verschieden ist. Die schaffenden Vorstellungskräfte sind die Substanzen der scheinbaren Materie, etwa in dem Zustande der Seele im Schlafe, nur der dunkelsten Perzeption ohne Bewusstsein fähig; die wachen sind die Geister, von der niedrigsten bis zur höchsten Geisterart in stetiger Reihe. Die vollkommensten aller wirklichen und möglichen Vorstellungskräfte ist die Gottheit, welche sich alle möglichen Substanzen mit ihren Akzidenzen und Verhältnissen auf das deutlichste, in sich selbst, und ohne vorbildende Außendinge vorstellt. Ausführlicher findet man die leibnitzsche Monadologie von Hansch und Alexander Gottlieb Baumgarten vorgetragen.
Dieser Begriff vom Wesen der Materie lässt den sinnlichen Schein, mithin die ganze Physik, ungeändert, hebt den Materialismus gänzlich auf, und setzte dem Idealismus wenigstens etwas eben so mögliches und eben so unwiderlegliches an die Seite. In Rücksicht auf den Dualismus hebt die Monadologie zwar die Schwierigkeit der Vereinigung zwischen Geist und Körper, lässt aber doch noch die Schwierigkeit einer physischen Gemeinschaft zwischen den Substanzen überhaupt zurück, welche Leibnitz durch die Hypothese einer vorbestimmten Harmonie zu heben sucht. Dem Physiker muss nach Herrn Klügel dieses System, welche die ganze Körperwelt zu Erscheinungen macht, die von unkörperlichen Dingen herrühren, schon darum lieb sein, weil damit eine Menge unnützer Grübeleien auf die Seite geschafft wird. Man muss alsdann bei den Factis bleiben, ohne die ersten Ursachen erklären zu wollen.
Etwas ähnliches hiermit hat das System des P. Boscovich, welcher der Materie die Undurchdringlichkeit abspricht, und sie bloß aus physikalischen Punkten bestehen lässt, welche mit anziehenden und zurückstoßenden Kräften in bestimmten Wirkungskreisen versehen sind. Hat also ein bewegter Körper genug Moment, die zurückstoßenden Kräfte, in deren Wirkungsraum er kommt, zu überwinden, so kann er durch jeden Körper dringen: Auf diese Art kreuzen und durchdringen sich bloß Kräfte, deren (schon nach den Vorstellungen der Mechanik) mehrere zugleich an einem Orte vorhanden sein, und sich das Gleichgewichst halten, oder einander überwinden können, ohne dass jemand dabei eine Schwierigkeit findet. So löst sich das Phänomen der Undurchdringlichkeit in den Begriff einer starken Zurückstoßungskraft auf. Boscovich wendet auf diese Kräfte die Lehren der Dynamik an, und zeigt, dass seine Theorie mit keinem Gesetz der Mechanik und mit keiner physikalischen Entdeckung streite, dass sie vielmehr eine Menge Erscheinungen, besonders an dem Lichte und den durchsichtigen Körpern, leichter, als irgend eine andere Hypothese, erkläre. Dennoch sollen sich die physikalischen Punkte selbst, oder die Substanzen, worin die Kräfte sind, nicht durchdringen können.
Priestley, der schon in seiner Geschichte der Optik diese Meinung mit Beifall erwähnt, und erzählt, dass sein Freund Michell bereits in jüngeren Jahren auf eben diese Idee gekommen sei, hat nachher in einem eigenen Werke den Gedanken auszuführen gesucht, dass die Materie aus nichts weiter bestehe, als aus Repulsionen und Attraktionen, die sich auf gewisse mathematische Punkte in Raum bezögen. Er spricht also der Materie die Undurchdringlichkeit und Trägheit ab, und glaubt sie dadurch zu veredeln, und der Natur der geistigen Substanz näher zu bringen. Aber auf eine ganz sonderbare Weise wendet er dieses System zur Verteidigung des Materialismus an, indem er meint, die Seele lasse sich ganz wohl aus seiner veredelten Materie erklären, welche bloß aus Kräften bestehe, und also wohl auch die Kraft zu denken und zu empfingen haben könne. Er treibt das Paradoxe hierbei so weit, dass er sogar die Einheit und Unteilbarkeit des empfindenden Wesens leugnet.
Herr de Luc hat diese kühnen Behauptungen sehr umständlich widerlegt. Er zeigt, dass Kraft, die sich auf einen mathematischen Punkt bezieht, Wirksamkeit ohne Substanz, ein leerer Ausdruck sei; dass Priestley doch wenigstens den Wirkungskreisen Ausdehnung geben müsse, dass ein Wirkungskreis den anderen verdränge, und die einmal mitgeteilte Bewegung fortsetze, dass man also dadurch immer wieder auf eine undurchdringlichen und träge Materie kommen, dass Anziehungs- und Repulsionskraft doch nichts weiter, als Anziehen und Abstoßen, keineswegs aber Selbstgefühl, Denken und Empfingen erkläre, und dass Elemente eines sich selbst fühlenden Ganzen ebenfalls Selbstgefühl haben müsse, welches allen Begriff von Elementen aufhebt, weil nur ein einziges Element das ganze Phänomen erklärt. De Luc selbst hält sich, als ein strenger Newtinianer, ganz an die atomistische Physik, und begnügt sich, die Schwierigkeiten des Dualismus dadurch zu mindern, dass er annimmt, es gebe nicht nur Substanzen, sondern auch Eigenschaften der Materie, welche nicht in unsere Sinne fallen. Vermittelst solcher Eigenschaften können Geist und Materie in einander wirken, weil es uns an einem Sinne fehle, diese Eigenschaften und ihre Wirkungen wahrzunehmen.
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