Titelblatt Teil 2

Anfangsgründe

der

Stöchyometrie

oder

Meßkunst chymischer Elemente

von

J. B. Richter

b. W. W. D.


Zweiter Theil

welcher die angewandte Stöchyometrie enthält;
für Mathematiker, Chymisten, Mineralogen
und Pharmaceuten.


Breslau und Hirschberg, 1793.

bey Johann Friedrich Korn dem Aelteren,
im Buchladen neben dem kön. Ober-Accis- und Zoll-Amt
auf dem großen Ringe.


Vorbericht.

Nachdem man in dem ersten Theil dieser Wissenschaft den Grund geleget, auf welchem die Ausforschung quantitativer Verhältnisse chymischer Elemente und ihrer Verwandtschaften beruhet, so ist es Pflicht, die Anwendung erwiesener Wahrheiten auf einzelne chymische Gegenstände zu zeigen, damit die reine Stöchyometrie in den Augen manches unmathematischen Chymisten nicht etwan verdächtig und als ein Hirn-Gespinste ausposaunet werden möge.

Nicht blos die ziemlich große Anzahl chymischer Elemente und die noch weit größere Menge aus ihnen entstehender Verbindungen die größtentheils neutral sind, zum Theil aber auch, wenn ihnen das Merkmahl der Neutralität fehlet, sich jedennoch in ihren Verwandschaften wie neutrale Verbindungen verhalten, sind Gegenstände der Stöchyometrie; sondern auch ihre so verschiedenen Verwandschafts-Grade und Scheidungswege; woraus man den Schluß auf die Größe der Sphäre ziehen kann, welche der Meß-Künstler in dieser Wissenschaft zu bearbeiten hat. Es sind nach der Menge bekannter chymischer Elemente wenigstens Siebenzig Massen-reihen und folglich eben so viele Verwandschafts-Reihen vorhanden. Durch jede Entdeckung einer eigenthümlichen Säure wird die Anzahl derselben, wenn nicht mit mehreren, doch ganz gewiß mit drey Reihen, und durch Entdeckung eines Elementes, so mit Säuren die Neutralität behaupten kann, wenigstens um eine Reihe vergrößert. Denkt man hier zugleich an reine Schweren, Scheidungs- und Verbindungs-Wege und an Bestimmung derer Kräfte wodurch sich Verbindungen zerlegen, so fällt die Größe der Stöchyometrischen Sphäre auch sogar jedem Anfänger in der Chymie leicht in die Augen.

Man hatte in einer kleinen dem Chymischen Publicum mitgetheilten Schrift: Über die neuern Gegenstände der Chymie vorzüglich das ohnlängst entdeckte Halbmetal Uranium Seite 77 die Vermutung geäußert, daß die Verwandschaften mehrere Chymischer Elemente gegen ein einzelnes in bestimmter Progreßion fortgehen dürften; diese Vermutung ist nun bereits in vier quantitativen Verwandschafts-Reihen zu der Würde eines unumstößlichen Satzes erhoben worden. Die Massen-reihen sind arithmetische Progreßionen (R. Stöchyom. Einl. Erkl. 23) und die Verwandschaften derer Elemente, welchen die Massen zugehören, gehen, doferne sie nur nicht durch das innewohnende Elementar-feuer gestöhret werden, nach eben der Ordnung fort als die Massen. Ja man ist noch überdies im Stande, die Wahrscheinlichkeit mehrerer in der Natur vorhandener Elemente einzusehen. Sogar die doppelten Verwandschaften gehen in arithmetischer Progreßion fort, und man kann bey genauen Beobachtungen dem Gedanken kaum widerstehen, daß das ganze chymische System aus dergleichen Progreßionen bestehe.

Man hatte anfänglich nur zur Absicht, die angewandte Stöchyometrie in einem kurzen Entwurfe vorzutragen, man wollte den Ruhm einer vollkommenern Ausübung, den wir bis jetzt Titulo oneroso besitzen, denjenigen gerne überlassen, deren Muße, Vermögens-Umstände, Wißbegierde und Freygebigkeit denen zu Bearbeitung der Stöchyometrischen Sphäre erforderlichen Kenntnissen hinreichen entspricht, um die aufgefundenen Resultate einem geehrten Publikum ohne vollkommenen Ersatz der verwandten Kosten mittheilen zu können. Allein nach reiferer Überlegung fanden wir, daß ein kurzer Entwurf der weiteren Ausbildung der praktischen Stöchyometrie mehr hinderlich als erforderlich ist, und die hierzu erforderlichen Zeit- und Geld-Kosten fast eben dieselbigen sind, als sie es seyn müssen, wenn man diesen Theil angewandter Mathematik und Chymie bald, ohne weitschweifig zu werden, mit gehöriger Vollständigkeit abhandelt. Daferne nun diese Lecture welche insbesondre Meß-Künstlern, Chymisten, Mineralogen und Pharmaceuten von Profession gewidmet ist, denen geehrten Lesern nicht lästig seyn sollte, wovon unser Herr Verleger, der bey uns darüber Beschwerde führte, daß gründliche Schriften jetzt nicht so beliebt wären als witzige, bald wird Nachricht geben können, und daferne wir inskünftige für die angewandten Kosten durch den Herrn Verleger schadlos gehalten werden, so sind wir auch geneigt diesen zweyten Theil der Stöchyometrie fortzusetzen und alle halbe Jahre wenigstens einen Abschnitt an das Licht zu stellen.

Schon das Wort angewandte oder praktische Stöchyometrie schließet dir Nothwendigkeit in sich, die quantitativen Verhältnisse derer Materien in Verbindung mit denen quantitativen abzuhandeln , denn der Nutzen dieses Theiles der Meßkunst wird nicht allein weit ausgebreiteter, wenn sich die Qualität aus der Quantität oder umgekehrt mehr oder weniger herleiten lässet, sondern es ist auch ohne Kenntniß einer ziemlich beträchtlichen Menge von Erscheinungen gar keine Anwendung quantitativer Verhältnisse möglich. Was könnte z. B. eine Tabelle für den Stoff jeder reinen Vitriolsauren Flüssigjkeit für Nutzen haben, wenn man nicht wüßte, was für neutrale Verbindungen hierdurch auf das genaueste zerlegt werden können. Man wird demnach die in der Einleitung (Reine Stöchyom. § V bis § LXIV) angegebenen Merkmahle chymischer Elemente an denen Orten, wo es theils nothwendig theils schicklich seyn wird, mit anderen vermehren. Man wird sich zu dieser Absicht zwar derer Erfahrungen bedienen, welche gelehrte Chymisten bereits gesammelt haben, man wird aber auch zugleich alles dasjenige, was noch nicht ganz außer Zweifel ist, als etwas ansehen, deßen Wahrheit erst durch Versuche erwiesen werden muß; und wir werden dabey unsre eignen zu anderer Zeit geäußerten Meinungen eben so wenig schonen. Es wird ferner bey denen Merkmalen, die von dieser oder jener Materie schon bekannt sind, nicht sein Bewenden haben, sondern solche, sollen, wo es nöthig ist, berichtiget, und neue bisher in chymischen Lehrbüchern nicht vorhandene hinzugefüget werden; besonders genau wird man in Ansetzung derer Elemente verfahren, in deren Kenntniß bis jetzt zum Theil noch etwas Dunkelheit, zum Theil aber auch viele Verwirrung herrschet. Das was in der Einleitung von denen Elementen und ihren Verbindungen erwähnet worden, wird man inzwischen nicht erst wiederholen, sondern sich nur mit Anzeige des Paragraphen darauf beziehen.

Demnach werden ohngefähr folgende Stücke den Haupt-Inhalt des angewandten Theiles der Stöchyometrie ausmachen: Die Eduction chymischer Elemente und die Production derer Verbindungen. Wer die Verhältniße chymischer Elemente entweder ausfündig machen oder sich von der Richtigkeit aufgefundener Verhältniße überzeugen soll, der muß auch versichert seyn, daß diese Elemente während denen zu der vorgehabten Absicht angestellten Versuche nichts bey sich führen, wodurch ein Irrthum, wenn auch nicht entstehen, doch wenigstens begünstigt werden könnte. Es muß demnach, ehe die Anleitung zur Ausforschung quantitativer Verhältniße gegeben wird, gezeigt werden, wie man die Elemente in den hiezu gehörenden Zustand versetze. Man muß ferner die Verfahrungs-Art zeigen, wie die Verbindungen angestellt werden müßen, damit keine Täuschung zu befürchten sey; sodann ist die Untersuchung der Massen-Verhältniße (Reine Stöchyom. Einl. Erkl. 18) und wenn derselben so viel vorhanden sind, als zu einer Massen-Reihe gehören, die Ausforschung des Gesetzes der Massen-Reihe vorzunehmen.

Wenn die Ordnung, in welcher die Massen-Reihen fortgehen, ausgemittelt worden, so ist nachher zu untersuchen, ob selbige sich als Verwandschafts-Reihen (Reine Stöchyom. Einl. Erkl. 9) legitimiren und da müßen die sämtlichen Verwandschafts-Fälle mit denen quantitativn Verhältnißen verglichen werden. Dahero ist nöthig diese Erscheinungen mit anzuzeigen, woher man denn auf die Wirksamkeit derselbigen vorzüglich sein Augenmerk zu richten hat.

Da die sp. Schweren nicht allein Unterscheidungs-Merkmale derer Materien abgeben, sondern auch eine große Menge praktischer Aufgaben ohne dieselben gar nicht aufgelöset werden können, so nimmt man die Erfahrungs-Lehre von denen sp. Schweren einen sehr beträchtlichen Theil der ganzen Abhandlung ein: Man muß besonders darauf bedacht seyn, wie die reine Schwere derer Materien und ihrer Elemente auf das genaueste auszuforschen sey, um hieraus wo es nöthig ist die mittleren Schweren zu bestimmen und um darinnen zur Gewißheit zu gelangen, muß ein Resultat bisweilen auf verschiedenen Wegen gesucht werden. Obgleich verschiedene Erscheinungen z. B. die Crystallisation mit der quantitativen Elementen-Lehre gar nicht in Verbindung zu stehen scheint, so müßen solche doch auch abgehandelt werden, denn da man bisher von einem Zusammenhange zwischen quantitativen und qualitativen Verhältnißen derer chymischen Elemente fast gar nichts gewußt, dieser Zusammenhang aber beträchtlichen Theils schon durch die ersten beiden Abschnitte gewiß ist, so müßen alle Erscheinungen genau bemerkt werden, um hinreichende Quellen zu haben, die Verknüpfung zwischen Quantität und Qualität aufsuchen zu können; Wer ist z. B. dafür Bürge, daß zwischen Flüssigkeit und Festigkeit, Figur und Größe der Chystallisation einer Seits, und zwischen dem quantitativen Verhältniße derer Bestandtheile andrer Seits kein physischer Zusammenhang statt finden sollte? Je genauer man nun die Erscheinungen kennet, desto mehr wird man im Stande seyn zu prüfen, ob und in wie ferne dieser Zusammenhang statt finde. Man wird dahero die Erscheinungen zum Theil in Verbindung mit denen quantitativen Verhältnißen vortragen, zum Theil aber auch denselben ganz eigene Paragraphen widmen.

Indem man den Weg zeigen wird, auf welchem Wahrheiten gesucht werden sollen, wird man zugleich auf deren Anwendung in Scheidungs- und Verbindungs-Wegen bedacht seyn. Diese Anwendung soll vorzüglich Chymisten, Mineralogen und Pharmaceuten gewidmet werden. Wir werden uns aber hier nicht immer der Ordnung bedienen können, welche in der reinen Stöchyometrie herrschet, denn ein großer Theil der Anwendungen ist mit denen vorzutragenden Erfahrungs-Sätzen so genau verwebt, daß er nicht füglich in besondre Aufgaben abgetheilet werden kann; es muß demnach dieselbe größtentheils nur beyläufig gezeigt werden: Derjenige Theil der Anwendung hingegen, welcher in etwas allgemeinern Ausdrücken abgefast werden kann, wird auch unter dem Titel der Aufgaben abgehandelt werden.

Um die Anwendung derer aufgefundenen Verhältniße recht leicht zu machen und überhaupt so viel als möglich zur Vollkommenheit des chymischen Systems beyzutragen, werden wir nicht allein eine Anleitung zu Verfertigung derer Tabellen geben, sondern auch dergleichen selbst entwerfen. Tabellen welche die Massen-Verhältniße enthalten, werden niht sowohl Chymisten und Pharmaceuten, sondern auch Mineralogen sehr willkommen seyn. Wie viele Mühe haben nicht manche Chymisten angewendet, dergleichen zu entwerfen, und wie wenig hat der Erfolg ihre Mühe durch Wahrheit belohnet. Sind die Massen-Verhältniße nur erst nach denen in der reinen Stöchyometrie vorgetragenen Grund-, Erfahrungs- und Lehr-Sätzen und mit gehöriger praktischer Genauigkeit ausgemittelt worden, so leidet eine darüber verfertigte Tabelle bey Entdeckung neuer Elemente zwar eine Vergrößerung, aber weiter keine sehr erhebliche Berichtigung in Betracht derer bekannten Materien, sondern sie dienet als allgemein gültige Norm ohne Aufhören unter allen Umständen. Gleiche Bewandniß hat es mit denen übrigen Tabellen, worinnen man die Masse eines Elementes oder auch eines compositi aus der vorhandenen sp. Schwere beurtheilet. Man wird die Tabellen für Verwandschaften, reine Schweren, zerlegende Kräfte und Massen sich zerlegender neutraler Verbindungen entwerfen, weil durch Tabellen in jeglichem vorkommenden einzelnen Falle vieles Rechnen erspahret und alles im Ganzen übersehen wird.

Wenn wir nun an der Fortsetzung der angewandten Stöchyometrie nicht gehindert werden sollten, so dürfte mit der Zeit ein vollkommenes system der Chymie entstehen, welches an Wahrheiten wenigstens noch einmal so reich ist, als es seyn würde, wenn sich der Meß-Künstler nicht des chymischen Gebietes bemächtigt hätte. Dem Meß-Künstler kann eine dergleichen Wißenschaft nicht gleichgültig seyn, weilen die Zahl seiner Besitzungen um eins und zwar durch ein solches Gebiet vermehret worden, welches in seinen Wirkungs-Kreiß einzuschließen noch vor kurzer Zeiz wenig Wahrscheinlichkeit war; denn wem ist es nicht bekannt, daß alle bisherige hiezu abzweckende Bemühungen beynahe fruchtlos abgelaufen sind, und zwischen Meß-Kunst und Chymie eine beynahe unzerstörliche Scheide-Wand gezogen zu sein schien? Und nun werden die Formen des Meß-Künstlers in einer Wißenschaft, um welche er sich bisher wenig bekümmerte, auf einmal so gültig, daß letztere einen großen Theil ihrer Vollkommenheit diesen Formen zu verdanken hat. Die Eroberungs-Sucht des Mathematikers erhält hierdurch einen neuen Antrieb, sich vielleicht noch derjenigen Dinge zu bemächtigen, zu deren Besitz noch weniger Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, als bisher in Absicht auf die Chymie vorhanden war. Dem Chymisten in seinen Verwandten z. B. Mineralogen und Pharmaceuten muß eine Wißenschaft sehr willkommen seyn, durch welche er das Gebäude der Chymie nicht nur in weit schönerer Ordnung und Übereinstimmung, sondern auch intensive weit größer erblickt als vorher; von wie vielen Erscheinungen bey deren Erklärung man sich öfters mit sehr schwankenden Gründen begnügen mußte, wird man nicht ins künftige einen hinreichenden Grund anzugeben wißen, wie viele Mühe wird man nicht so wohl producendo als educendo ersparen, wie sehr wird die Untersuchung derer quantitativen Verhältnisse derer Bestandtheile vieler sowohl durch Natur als durch Kunst hervorgebrachten Körper erleichtert werden, und wie vieler Nutzen ist nicht besonders da zu erwarten, wenn eine Arbeit in großen Quantitäten angestellt werden soll? Ja es dürfte der Einfuß dieser Wißenschaft auf Gewerbe die mit der Chymie verwandt sind, dem Einfluße wenig nachgeben, welchen dir Chymie selbst auf dieses Gewerbe hat.

Die Ordnung, welche man, was den Inhalt einzelner Abschnitte betrifft, beobachten wird, läßet sich im voraus nicht genau bestimmen; daferne uns unvorhergesehene Schwierigkeiten nicht hindern, so werden wir zuerst die Verhältniße derer unmittelbaren sauren Elemente gegen die Alkalien und Metalle abhandeln: Die Verbindungen welche diese sauren Elemente mit denen Alkalien eingehen, werden zuerst betrachtet werden, und die flüchtigen sauren Elemente sollen wiederum denen feuerbeständigen vorausgehen. Nachdem man diese Verbindungen betrachtet haben wird, so wird man sich mit demjenigen beschäftigen, welche die unmittelbaren Elemente mit Alkalien und Metallen darstellen, wobey man die vorhin angezeigte Ordnung zu beobachten willens ist: Sodann wird man die übrigen Verbindungen untersuchen, ohne sich bloß auf die Neutralität einzuschränken. Sollte während der Bearbeitung bisher bekannter chymischer Elemente ein neues entdeckt werden, so wird man auch alsbald auf die Ausforschung seiner Verhältniße bedacht seyn und die Resultate an den schicklichen Orten einzurücken suchen.

Um gewiße Chymische Größen, vorzüglich die sp. Schweren, in Zahlen nicht nur genau sondern auch kurz auszudrücken, hat man sich der Decimal-Brücke bedient. Damit nun diejenigen, welchen die Rechnung mit Decimal-Brüchen eben nicht zu geläufig ist, an der möglich deutlichen und vollständigen Erkenntniß der Wahrheiten angewandter Stöchyometrie nicht gehindert werden mögen, wollen wir hier das nöthige von dieser Rechnungs-Art, wie auch von der Zusammenstellung der Zahlen theils anzeigen, theils einiges was in der Einleitung bereits bemerkt worden kürzlich wiederholen. Wenn zwischen Zahlen ein Comma oder (,) steht, z. B. 246,4396, so sind die linker Hand des Comma stehenden Zahlen läuter Einheiten, oder Ganze, die rechter Hand desselben stehende sind hingegen lauter Decimal-Brüche; die erste Zahl hinter dem Comma begreifet Zehen-Theiler, die zweite Hundert-Theiler, die dritte Tausend-Theiler, die vierte Zehntausend-Theiler u. s. w. Als in der Zahln 246,4396 sind 246 ganze, 4/10, 3/100, 9/1000, 6/10000. In dem Ausdruck 0,450 wäre kein Ganzes, 4/10, 5/100 und kein Tausendtheil. Wenn einer oder mehreren durch einen Punkt oder x verbunden sind, so zeigt dies an, daß man diese Zahlen miteinander multipliciren solle, also 24.11 ist 24 mit 11 multiplicirt oder 264. Ebenso ist es wenn Decimal-Brüche vorhanden sind, z. B. 2,4.64,36 d. i. 2,4 mit 64,3 multiplicirt. Bey der Multiplication dieser Decimal-Zahlen ist zu bemerken, daß man in dem Producte oder Multiplicate so viel Zahlen von der rechten zur linken Hand durch ein Comma abtrennt, als in beyden Factoren, die miteinander multiplicirt worden, Zahlen für decimal-Brüche vorhanden sind. Z. B. 2,4 mit 64,36 multiplicirt wäre 154464, nun sind aber in 2,4 eine, nehmlich die 4, und in 64,36 zwey Zahlen nehmlich 3 und 6 für Decimal-Brüche, d. i. zusammen genommen drey Zahlen, welche von der rechten zur linken Hand in der Zahl 154464 abgetrennt werden, so daß man nun 154,464 als Product oder Multiplicat erhält. In 0,54.0,23 sind alle Zahlen Decimal-Brüche, folglich werden auch in dem Multiplcat 1242 alle Zahlen auf die rechte Hand abgesondert, nehmlich 0,1242. Wenn zwey Zahlen-Größen, die beyde Decimal-Brüche enthalten, addirt werden sollen, so wird Zehn-Theiler zu zehn-Teiler, Hundert-Theiler zu Hundert-Theiler und so weiter addirt z. B. 6,43 soll zu 0,5694 addirt werden, so setzt man

  • 6,43
  • 0,5694

  • 6,9994
Ebenso ist es bey der Subtraction weil man nur Brüche von einerley Benennung zu einander addirt oder von einander subtrahiren kann, als
  • 6,9994
  • 6,43

  • 0,5694

Man kann übrigens, um allen Irrthum der aus der unrechten Zahlen-Setzung entstehet, zu vermeiden, wenn zwey Zahlen-Größen von verschiedenen Decimal-Stellen zu einander addirt oder von einander subtrahirt werden sollen, die fehlenden Decimal-Stellen durch Nullen ergänzen z. B. statt 6,43 setzt man 6,4300. Wenn eine Zahlen-Größe als ein Bruch bezeichnet ist, z. B. 65/8, so soll die unterste in die oberste dividirt werden, eben so wenn zwey Zahlen-Größen durch zwey über einander stehende Punkte abgesondert sind z. B. 65:8 so soll dir zur rechten Hand in die zur linken dividiert werden. Wenn man nun den Quotienten in Decimal-Brüchen ausdrückt, so hängt man dem Dividendus so viel Nullen an als man Decimal-Brüche der Genauigkeit wegen für nöthig erachtet, und dividirt als denn die erhaltene Zahl; dem Quotienten sondert man sodann so viel Zahlen von der rechten zur linken Hand durch ein Comma ba, als man Nullen an den Dividendus gesetzt hatte. Z. B. 65 sollte durch 8 dividirt, der Quotient in Decimal-Brüchen ausgedrückt werden und es sollte letztetr nur drey seyn so werden 65 drey Nullen angehängt, so erhält man 65,000 dieses wird durch 8 dividirt giebt 8125, hievon drey Zahlen auf erwähnt Art abgesondert, erhält man 8,125. Es sey 6,8 durch 12 zu dividiren und man wollte den Quotienten in vier decimal-Brüchen haben, so hängt man der 6,8 noch drey Nullen an, weil schon eine Zahl nehmlich die 8 als Decimal-Bruch vorhanden ist, folglich 6,8000 durch 11 dividirt giebt 6181 oder auch 6182, hievon so viel Zahlen abgesondert als im Dividendus Zahlen für Decimal-Brüche vorhanden sind, nehmlich im gegenwärtigen Falle vier Zahlen, erhält man 0,6182. Sind im Divisor auch Decimal-Brüche enthalten, so streicht man in dem Quotienten so viele Zahlen weniger ab, als der Divisor hat; z. B. 25,03 sey durch 0,54 zu dividiren, der Quotient sollte vier Zahlen zu Decimal-Brüchen haben, so hängt man dem Dividendus so viel Nullen mehr an als der Divisor Decimal-Brüche hat. 25,03 hat zwey Stellen für Decimal-Brüche; wenn der Divisor keine hätte, so dürfte man, da der Quotient vier Decimal-Stellen haben soll, dem Dividendus nur noch zwey Nullen als Stellen für Decimal-Brüche anhängen, weil schon zwey Stellen nehmlich 03 vorhanden sind, allein da der Divisor noch zwey Decimal-Brüche hat, so hängt man auch noch zwey Nullen mehr, folglich vier Nullen an, und man erhält 25,030000 dieses durch 54 dividirt giebt 461666. Nun werden hiervon so viel zahlen abgesondert als herauskommen, wenn man die Anzahl der Decimal-Stellen des Divisors von der des Dividendus abzieht, der Divisor hat zwey Decimal-Stellen und der Dividendus deren sechs, folglich werden sechs weniger zwey Zahlen im Quotienten von der rechten zur linken Hand abgesondert d. h. vier, und man erhält 46,1666. Was übrigens die Zeichen + und - betrifft, so ist in der Einleitung Willk. S. 1.3.4 ausführlich gezeiget worden, daß eine Zahl vor welcher das Zeichen + stehet, addirt, und eine vor welcher das Zeichen - steheht, subtrahirt werden müße, denn was von den Buchstaben gilt, das gilt auch von den Zahlen, das ausgenommen, was man in der Einleitung Willk. S. 5 in Betracht der Zeichen als Ausnahme angeführt findet.

So wie wir uns in dem ersten Theile oder der reinen Stöchyometrie bey uns möglichsten Deutlichkeit beflißen haben, so wollen wir uns dieser Vollkommenheit noch um desto mehr in der angewandten Stöchyometrie befleissigen; weil solche auch von denjenigen benutzt werden soll, welche keine Kenntniß der höheren Mathematik habensondern sich nur chymischer Kenntniße und der gemeinen Rechen-Kunst rühmen können. Wer die Gleichungen der reinen Stöchyometrie benutzen will, ohne sich um den Weg zu bekümmern, wie man sie aufgefunden, der darf nun aufmerksam seyn, was für Größen durch die Buchstaben bezeichnet sind; er darf sodann statt der Buchstaben nur die Zahlen hinsetzen, welche er durch Versuche aufgefunden, und nachher die vier Species der gemeinen Rechen-Kunst nach der Anleitung anwenden, die ihm die Zeichen, wodurch diese Species ausgedrückt sind, (Siehe die Einl. § xxxx) selbst an die Hand geben. Übrigens kann auch ein beträchtlicher Theil des Inhaltes der angewandten Stöchyometrie genutzt werden, ohne daß man die Anwendung jener Formen nöthig hätte, wie z. B. die Massen-Verhältniße und die Tabellen.

Um allen denjenigen, welche diesen Theil gelehrter Erkenntniß, es sey nun ex profusso oder nur als Liebhaber bearbeiten wollen, Gelegenheit zu verschaffen, sich alsbald eine Fertigkeit in der Stöchyometrie zu erwerben, sind wir in denen ersten beyden Abschnitten etwas ausführlicher gewesen als wir in den folgenden seyn werden; dieser Umstand in Verknüpfung mit der reichlichen Menge Stöchyometrischer Wahrheiten, hat diese beyden Abschnitte zu einer solchen Menge von Bogen heranwachsen laßen, welche der Theoretische Theil dieser Wissenschaft kaum aufzuweisen hat. In denen folgenden Abschnitten werden wir in der Abhandlung der Materien, deren Bearbeitung mit denen schon abgehandelten die einerley Formen beruhen, weit kürzer seyn und bloß auf die Paragraphen verweisen, wo bereits die nöthige Anleitung gegeben.

Wir müßen endlich noch bemerken, daß, so willkommen alle Belehrungen seyn werden, denen nicht allein Wahrheits-Liebe sondern auch Wahrheit zu Grunde liegt, so sehr wir dergleichen Belehrungen zu nutzen willens sind, wie auch im Gegentheil alle Urtheile, die entweder aus Vorurteil oder aus der heute zu Tage Mode gewordenen Unbescheidenheit entspringen, der Widerlegung gar nicht werth halten werden; Sollte jemand ohnerachten aller Mühe die man übernommen hat, um deutlich zu seyn, jedennoch über Undeutlichkeit Klage führen wollen, der bedenke, daß die Deutlichkeit so etwas ist, was nicht allen auf der vorgetragenen Materie und auf dem der sie vorträgt, beruhet, sondern sich auch zugleich nach dem Erkenntniß-Vermögen und nach dem Maaße der Übung desjenigen richtet, welcher auf eine deutliche Erkenntniß Anspruch macht.


Quelle:
Jeremias Benjamin Richter: Anfangsgründe der Stöchyometrie oder Meßkunst chymischer Elemente. Zweiter Theil. Breslau 1793.


leerzeichen

[Übersicht]   [Ostwalds Weltbild]   [Ostwalds Dissertationen]   [Ostwalds Vortrag 1895]   [Akademie Vorschlag]   [Richter]


[Übersicht]   [ZLUF]   [Ostwald]   [Gmelin]


© 2013 Dr. Rainer Stumpe