Der Erdumfang des EratosthenesEratostenes von Kyrene (geb. um 284 v.Chr. oder 274 v.Chr. in Kyrene (heute Libyen), gest. um 202 v.Chr. oder 194 v.Chr. in Alexandria) wurde 246 v.Chr. von Ptolemaios III (Euergetes) zum Prinzenerzieher und Leiter der Bibliothek von Alexandria berufen. Er ist der Inbegriff hellenistischer Gelehrsamkeit und bezeichnete sich selbst als "Philologe" (Freund geistiger Betätigung). Eines seiner Werke ist eine Zusammenfassung geografischer Kenntnisse, wobei er ein Gradnetz für die Landkarten entwarf. Eratosthenes hat außerdem er Verfahren zum Auffinden von Primzahlen entwickelt (Sieb des Eratostenes) und den Erdumfang bestimmt. (Entgegen der Schulmeinung haben mehrere antike Philosophen die Erde und den Himmel als Kugeln betrachtet.) Ein Projekt der griechischen Philosophen war eine Karte der bewohnbaren Erden. Sie benutzten zur Bestimmung der geographischen Breite ein Messinstrument, das "Scaphium" (σκαφιον). Die Länge mussten sie aus Wegstrecken schätzen. Damit fanden sie die Wendekreise und maßen die Breiten auf den Meridianen. Das Scaphium wurde auf eine ebene Fläche gestellt, der Schatten des Gnomons gab dann den Bruchteil des Erdumfangs an. Es ist eine halbkugelförmige Schale mit einem Gnomon, in der Kreise parallel zum Rand im Anstand von 1° eingezeichnet sind. Nach Ptmolemäus entsprach 1° eines Großkreises einer Entfernung von 500 Stadien, Eratosthenes gab diese Entferung zu 700 Stadien an. Nach der Legende hatte Eratosthenes beobachtet, dass zur Sonnenwende im Frühjahr (März) sich die Sonne mittags im Wasser eines tiefen Brunnens, der zur Beobachtung des Nilpegels diente, in Syene (bei Assuan) spiegelt. Daraus schloss er, dass die Sonne über dem Brunnen senkrecht steht und Syene auf dem nördlichen Wendekreis liegt. Nun ließ er am gleichen Tag zu Mittag in Alexandria den Zenithwinkel der Sonne messen. Da Alexandria und Syene nahezu auf dem gleichen Meridian liegen, kulminiert die Sonne in beiden Orten gleichzeitig. Nun mußte er nur noch die Entfernung von Alexandria nach Syrene messen (hier liegt die Unsicherheit, denn es gab zu der Zeit eine Vielzahl unterschiedlicher "Stadien", und er hinterließ nicht, welches Längenmaß er verwendete). Er setzte diese Entfernung mit dem Winkel (im Bogenmaß) gleich (der Zenithwinkel und der Winkel des Kreissegments sind gleich, da sie Winkel an Parallelen sind). Eratosthenes bestimmte den Zenithwinkel α wohl aus der Schattenlänge eines Obelisken in Alexandria tan α = h ⁄ s (h ist die Höhe des Obelisken und s die Länge des Schattens). Der Winkel α ist auch der Mittelpunktswinkel der Entfernung von Alexandria nach Syene, wenn die Strahlen der Sonne parallel auf die Erdoberfläche fallen (was im Rahmen seiner Messgenauigkeit stimmt), und die beiden Städte auf einem Meridian liegen (was nicht ganz stimmt). Alexandia liegt auf den Koordinaten 31° 13′ N, 29° 56′ O, Syene auf 24° 6′ N, 32° 54′ O. Damit ist auch die "Gleichzeitigkeit" der Messung nicht mehr gegeben: bei dem Unterschied von 2° 02′ in der Länge der beiden Orte, kulminiert die Sonne in Syene knapp 7 ½ Minuten vor Mittag in Alexandria. Die Entfernung e von Alexandria nach Syene entspricht nun dem Anteil des Meridianumfangs U, den der Winkel α am Vollkreis von 360° = 2 · π hat.
Nun setzt man den Ausdruck für U in die zweite Formel ein und löst nach r auf:
Oder man stellt die beiden Ausdrücke für tan α auf:
die beiden Formeln setzt man gleich:
Da Eratosthenes sicherlich seinen Kollegen in Alexandria Euklid gekannt hat, und der in seinem Werk Elementa mit Verhältnissen von Dreiecksseiten statt mit Winkelfunktionen seine Beweise führt (siehe Euklids Sätze über Kreis und Gerade und dort angegebene Quellen), ist die Formel (4) wohl die von Eratosthenes angewandte. Er kam wahrscheinlich durch die Betrachtung der beiden ähnlichen Dreiecke zu der Proportionalität (Formel 3). Das Dreick Erdmittelpunkt-Syene-Alexandria und das Dreieck (Spitze des Obelisken)-Alexandria-(Ende des Schattens) stimmen in zwei Winkeln überein: dem Winkel α und dem rechten Winkel. Leider ist offensichtlich nicht genau bekannt, welches Maß des "Stadions" Eratosthenes gemessen hat (es gab griechische und ägyptische Stadien [1]), und es gibt eine Anzahl Legenden. Der Brockhaus gibt nicht an, welchen Erdumfang Eratosthenes (in km) gefunden hat, auf dem Web gibt es eine Vielzahl Angaben. Eine ausführliche Diskussion der von Eratosthenes und seinen Vorläufern gefundenen Erdumfänge einschließlich einer Fehlerbetrachtung (Alexandia und Syene liegen nicht exakt auf einem Meridian!) findet man bei:
Kurzbiographie
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© Rainer Stumpe URL: www.rainerstumpe.de |