Die Keplersche GleichungDie große Leistung Johannes Keplers war es, die Gesetze über die Bewegung der Planeten aus den Beobachtungen ihrer Bewegungen zu erkennen und zu formulieren. Dabei stieß er auf die Probleme, die Länge eines Ellipsenabschnitts zwischen zwei beliebigen Punkten und die Fläche eines Ellipsensektors in der Brennpunktsform berechnen zu müssen. Das zweite Problem konnte er lösen, zum ersten erkannte er, dass das mit Infinitesimalrechnung möglich wäre — aber die kannte er nicht (sie wurde erst von Issac Newton für diese Frage entwickelt). Die Fläche eines Ellipsensegments war notwendig, um das 2. Gesetz zu beweisen ("Die Fahrstrahlen der Planeten überstreichen in gleichen Zeiträumen die gleichen Flächen."). Heute kann man das durch Integrieren der entsprechenden Differenzialgleichung, aber zu Keplers Zeit, war die Differenzialrechnung eben noch nicht erfunden. Da er an der Berechnung des Planetenortes auf seiner elliptischen Bahn interessiert war, musste er die Länge des Ellipsenbogens vom sonnenfernsten Punkt kennen. Für diese Bestimmung benutzte Kepler die klassische Geometrie und erhielt die Kepler-Gleichung: M = E - ε·sin E. Seine Formulierung, die Kepler-Gleichung, wird zwar viel zitiert, aber nur bruchstückhaft erklärt. Die von ihm vergebenen Bezeichnungen, werden noch heute benutzt. Hier soll die Herleitung verständlich dargestellt werden. Hinweise für den geneigten & kritischen Leser:
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Nun ist die Fläche des Kreissegments FFSP' nicht direkt auszurechnen, aber die eines Kreissegments FMSP' ist berechenbar. |
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Nun brauchen wir die Höhe des Dreiecks, oder die y-Koordinate von P, yP. Die ist aber, wegen der
Affinität, yP = b/a·yP'. Und yP' können wir mit dem Winkel E und dem
Radius a des Umkreises berechnen: Die Fläche des roten Dreiecks MFP ist also FΔ = ½·e·(b/a)·a·sin E = ½·e·b·sin E. Damit ist die Fläche des Ellipsensegments FSP also: FFSP = a·b·E/2 - ½·e·b·sin E = (b/2)·(a·E - e·sinE) Leider hilft das nicht viel, denn die Fläche ist nun eine Funktion der exzentrischen Anomalie E, also eines Winkels am Mittelpunkt der Ellipse. Wir wollen aber eine Funktion eines Winkels am Brennpunkt. Weiter hilft eine Überlegung am Umkreis. |
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Beide Formeln für die Kreissegmentfläche kann man gleichsetzen: FFSP' = (a/2)·(a·E - e·sinE) = (M/2)·a2 In dieser Gleichung kann man a/2 kürzen und sie nach M auflösen: M = E - (e/a)·sin E Das ist die Keplersche Gleichung. Für e/a kann man noch ε setzen ( Definition der numerischen Exzentrizität!), dann hat man die üblicherweise zitierte Form der Gleichung. Sie wird als ästhetisch, weil einfach, empfunden. Nun mag sie zwar schön sein, aber sie hat einen gravierenden Mangel: man kann sie nicht nach E auflösen. Wenn man nun wissen möchte, an welcher Stelle auf der elliptischen Umlaufbahn ein Planet zu einer gegebenen Zeit steht — und Kepler wollte das —, muss man eine Hilfskonstruktion anwenden. Die mittlere Anomalie, also der Winkel am Brennpunkt, dessen Fahrstrahl den Umkreis im Punkt P' schneidet, nimmt jeden Wert zwischen 0° und 360° an, aber man kann nicht sagen, zu welcher Zeit. Andererseits entspricht jeder Punkt auf dem Umkreis aber einer Zeitspanne vom Periheldurchgang. Man rechnet also den Winkel für alle Zeiten zwischen zwei Periheldurchgängen aus nach der Formel M'(t) = (t - t0)/T·360°. (Hinweis: M'(t) ist nicht die mittlere Anomalie M, obwohl sie die gleichen Werte annimmt!). Die mittlere Anomalie M(E) rechnet man in einer zweiten Tabelle für alle Werte der exzentrischen Anomalie E aus. Dann schaut man, welche Werte von M'(t) mit welchen Werten von M(E) mit denen von M(t) übereinstimmen, und findet die zum entsprechenden Wert von E gehörende Zeit t. Um den Planetenort berechnen zu können, benötigen wir noch ein paar Formeln. In karthesischen Koordinaten mit dem Brennpunkt F als Ursprung brauchen wir xP und yP, in Polarkoordinaten mit dem Brennpunkt F als Ursprung zu beschreiben, benötigen wir die wahre Anomalie φ und die Länge des Fahrstrahls r mit der exzentrischen Anomalie E in Beziehung setzen (die bekommen wir aus der Kepler-Gleichung für jeden Bruchteil der Umlaufzeit). |
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Für die y-Koordinate des Planeten, yP, haben wir ja weiter oben schon einen Ausruck gefunden: yP = b·sin E. Die beiden Gleichungen setzen wir gleich und lösen nach sin φ auf: sin φ = (b/r)· sin E. Die Länge des Fahrstrahls r ist dann - nach Pythagoras (c2 = a2 + b2) - r2 = xP2 + yP2 = (e - a·cos E)2 + (b·sin E)2. Mit ein bißchen Arithmetik (man sollte sich erinnern, dass sin2 α + cos2 α = 1 und e2 = a2 - b2!), erhalten wir: r = a - e·cos E. Diesen Ausdruck für r setzen wir in die Formel für sin φ ein: Jetzt haben wir einen Ausdruck für die wahre Anomalie φ aus dem Mittelpunktssytsem abgeleitet, die außer der exzentrischen Anomalie E nur noch systemunabhängige Größen enthält. Brennpunktssystem Im Brennpunktsystem verwenden wir Polarkoordinaten, also φ und r. Da sich der Planet P auf einer Ellipsenbahn bewegt, berechnen wir r mit der polaren Brennpunktsgleichung der Ellipse aus der wahren Anomalie φ: Erst durch die Anwendung dieser Gleichung haben wir die Änderung des Winkels φ mit einer kontinuierlichen Zeit in einer Ellipse so festgelegt, dass φ ein Winkel am Brennpunkt ist, die von der positiven x-Richtung (nach rechts) aus zählt! Wie sieht nun das Ergebnis aus? Nehmen wir einen hypothetischen Planeten, der auf einer elliptischen Bahn mit den Halbachsen a = 100 und b = 75 Längeneinheiten seine Sonne in 200 Zeiteinheiten umkreist (es ist unerheblich, in welchen Einheiten wir Zeit und Länge messen), und plotten wir seine Position in Intervallen von 5 Zeiteinheiten. Rein qualitativ gibt das Bild aber schon das richtige Verhalten wieder. Im Perihel sind die Abstände der Punkte gering, dafür liegen lange Ellipsenbögen zwischen den Punkten. Auf der gegenüberliegenden Seite - im Aphel - sind Radien groß und die Winkeländerungen klein. Die Berechnung wird separat erläutert. |
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