Die Gezeiten erzeugende KraftAus der Addition der Flieh- und Gravitationskräfte resultiert also eine gezeitenerzeugende Kraft, die von der Stellung des Mondes β und der geografischen Breite φ abhängt. Da die Richtungen der Fliehkraft- und Anziehungskraftvektoren von der geografischen Breite und der Stellung des Mondes abhängen, wird das Problem schnell sehr komplex, und entzieht sich einer einheitlichen mathematischen Theorie. Die gezeitenerzeugende Kraft kann in zwei Vektorkomponenten zerlegt werden:
Die erste Komponente hebt den Wasserspiegel an, die zweite verschiebt die Wassermassen in Richtung des Mondes; sie sorgt also für eine Verlagerung der Wassermassen in Richtung Mondmeridian und Äquator. Bei der Horizontalkomponente haben die Fliehkräfte in System Erde-Sonne und im System Erde-Mond — auf der abgewandten Seite — die größten Anteile. Das hier vorgestellte Modell der Gezeitenenstehung mit den Komponenten:
kann eigentlich qualititiv alle Beobachtungen im Zusammenhang mit den Gezeiten erklären:
Nicht erklären kann das Modell die tatsächlich beobachteten Wasserstände. Um hier Vorhersagemodelle zu entwickeln, wurden zusätzliche Phenomene diskutiert, wie die Resonanz der Wellenbewegung in den Meeresbecken, die aber alle nicht erfolgreich waren bei der Wasserstandvorhersage. Nach der geltenden Theorie sind die Form des Meeresbodens, die Tiefe des Meeres, die Küstenform, im wesentlichen für lokale Tidenhübe verantwortlich. Die Tide, die auf dem offenen Meer auf eine Höhe von 20 cm bis 1 m geschätzt wird, führt in flachen Küstengebieten zum Aufbau einer Tidenwelle. Sie kann eine beträchtliche Höhe erreichen. Es bleiben von der Newtonschen Theorie der Einfluß vom Stand des Mondes und der Sonne, d.h. der Zeitpunkt des Eintritts von Ebbe und Flut, und die relativen Höhen der beiden täglichen Hochwasser, sowie der jahreszeitlichen Hochwasserstände. Die absoluten, lokalen Wasserhöhen werden durch jahrelange Beobachtungen bestimmt. Man hat also mathematische Gleichungen mit Zeitabhängigkeiten und empirische Parameter, mit denen die Wasserhöhen den lokalen Bedingungen angeglichen werden. Mathematisch erreicht man die Gezeitenvorhersage mit dem Formalismus der Partialtiden. Im "Handbuch der Physik" von 1908 habe ich eine Zusammenfassung der mathematischen Theorieansätze gefunden — dort werden auch die Grenzen dieser Theorien aufgezeigt. Sie gelten im Grunde nur für eine gleichmäßig mit Wasser bedeckte Kugel (oder ein Rotationsellipsoid). Zusammenfassung: Wie entstehen Ebbe und Flut?Wir haben die Einflüsse der von Isaac Newton eingeführten Fliehkräfte in den beiden Rotationssystemen Erde-Mond und Erde-Sonne untersucht. (Man kann die Fliehkräfte leider nicht gemeinsam in einem System Erde-Sonne-Mond untersuchen, weil es keinen mathematischen Ansatz für das "Drei-Körper-Problem" gibt.) Die Anziehungskraft (Gravitationswirkung) ist etwa gleich groß. Mit diesen Wechselwirkungen läßt sich die Beobachtung des Wechsels von Ebbe und Flut im Tages- und Jahresrhytmus hinreichend erklären.
Durch die Rotation der Erde mit Sonne und Mond wird die Wasserhülle in ein Rotationselipsoid geformt, dessen große Achsenebene in der Äquatorebene liegt, und die kleine um die Pole präzediert. Da die Sonne in der Ekliptik wirkt und die Mondbahn (in der Abbildung gelb gepunktet) dazu geneigt ist, wird die große Achsenebene um einen Winkel in Richtung Ekliptik (in der Abbildung gelb strich-punktiert) gezogen. Der Wert dieser Ablenkung wird vom Mond bestimmt und er schwankt etwas. Unter diesem Elipsoid dreht sich die Erdkugel. Zusätzlich wird die große Achsenebene in Richtung der von Sonne und Mond ausgehenden Kräfte gedehnt. So kommt es zu der beobachtbaren Abhängigkeit der Wasserhöhen von der Stellung des Mondes. |
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© Rainer Stumpe URL: www.rainerstumpe.de |