Thermodynamik und Wetter

Habe ich nur den Eindruck, oder war der Mai 2015 und ist der Juni 2015 kälter als erwartet? Nach dem Deutschen Wetterdienst war der Mai nördlich einer Linie von Düsseldorf bis Görlitz kälter als die kli­ma­to­lo­gische Referenzperiode 1961-1990. In der Mitte Deutschlands war der Mai zusätzlich sehr trocken, im Küstengebiet fiel mehr Niederschlag als üblich.

Gibt es dafür eine Erklärung? Ich denke schon. Nach dem ersten Hauptsatz der Themodynamik ist der Energieinhalt U eines Gasreservoirs konstant.

  • δU = δW + δQ
Die Energie setzt sich zusammen aus Volumenarbeit W = -p · δV und Wärmeinhalt Q ∼ ΔT, wobei p der Druck, V das Volumen und T die Temperatur ist. Die Wärmemenge ist proportional der Temperatur.

Unser mitteleuropäisches Wetter wird im Frühjahr geprägt durch Tiefdruckgebiete, die aus Westen über England hereinströmen. In erster Näherung wollen wir annehmen, dass diese Tiefdruckgebiete ohne großen Fehler den Einschränkungen des ersten Hauptsatzes genügen.

Ein Blick in die Karte der Windparks in der Nordsee zeigt: die Tiefdruckgebiete aus England überqueren diese offshore Windparks. Dort erzeugen sie im Frühjahr 2015 bereits 2.400 MW Strom. Diese Arbeit wird von den Tiefdrucksystemen geleistet!

Und wie der erste Hauptsatz besagt: dadurch verringert sich die im Tiefdruckgebiet enthaltene Wärme­menge, die proportional der Temperatur ist: die Luft wird kälter.

Der Endausbau der Windparks in der Nordsee liegt bei 150 GW. Hoffentlich schneit es da nicht bald im Mai.

Man kann es natürlich auch molekular betrachten. Die Moleküle der Luftbestandteile (O2 und N2 sowie die Spurengase) stoßen gegen den Flügel des Windrades und geben dabei einen Teil ihres Impulses p = m · v (mit m die Molekülmasse und v seine Geschwindigkeit) an den Flügel ab: der kommt dabei in Bewegung.

Die kinetische Energie Ekin eines Gasmoleküls ist: Ekin = ½ · m · v2. Setzt man den Ausdruck für den Im­puls p ein: Ekin = ½ · p · v. Verringert sich der Impuls des Moleküls, so nimmt seine kinetische Energie ab.

In der statistischen Thermodynamik wird von der Energie der einzelnen Gasmoleküle auf die Ei­gen­schaf­ten des Gasvolumens geschlossen. Die Verteilung der kinetischen Energie der Moleküle ist eine Boltz­mann-Verteilung. Man kann also von der (Brownsche) Bewegung der Moleküle auf meßbare Ei­gen­schaf­ten eines Gasvolumens schließen. Es gilt: ½ · m · v2 = 3 ⁄ 2 · kB ·T (kB ist die Boltz­mann­-Konstante, T die absolute Temperatur). Die Summe der kinetischen Energie der einzelnen Gasmoleküle ist ein Maß für die Temperatur des Gases.

Also führt auch statistisch die Übertragung von Impuls vom Gasmolekül auf den Flügel des Windrades zur einer Temperaturerniedrigung im Gasvolumen.

Ich gebe es zu: die Themodynamik ist unsexy. Viel schicker ist es, an semiempirischen Modellen die Parameter zu variieren und dann die Auswirkungen der Änderungen auf das Modell zu diskutieren.


Zusammensetzung der Luft

Weiß eigentlich noch jemand, worüber wir reden?

Gas LA Umwelt BW UB Babel Heminghaus TU Braunschweig Springer Fachmedien

Stickstoff 78,08 Vol-% 78,085 Mol-% 78,084 Vol-% 78,08 Vol-% 78,084 Vol-%
Sauerstoff 20,05 Vol-% 20,942 Mol-% 20,942 Vol-% 20,95 Vol-% 20,946 Vol-%
CO2 0,04 Vol-%1 0,038 Mol-% 0,038 Vol-% 0,035 Vol-% 0,0354 Vol-%2

  1. Stand 2013, vorindustriell: 0,028 Vol-%
  2. in der Troposphäre 1992, 2012: > 390 ppm (= 0,0390 Vol-%)

Zeitliche Entwicklung CO2-Gehalt

Jahr CO2-Gehalt, ppm

1960 312
1970 325
1980 336
1990 353
2000 367
2009 387
Messwerte des Mouna Loa Observatory (Hawaii). Quelle: Dipl.-Phys. Harald Herminghaus
siehe auch: Wikipedia

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