Kursbestimmungen

Wenn man bei einem Törn weiss, wohin man will, bestimmt man zunächst den Kurs, mit dem man los­segeln will. Dabei unterscheidet man drei Berechnungsmethoden, die man je nach Entfernung vom Start- zum Zielort anwendet. Als nächstes interessiert bei der Törnplanung die Entfernung zwischen den beiden Orten. Die kann man aber in keinem der hier dargestellten Fälle aus der Karte ablesen: man muss immer rechnen.

  1. Für kurze Entfernungen, d. h. wenn man die Erdoberfläche als eben annehmen kann, verwendet man die Methode der mittleren Breite. Diese Berechnung entspricht dem Ablesen des Winkels zwischen der Nordrichtung und der Verbindungslinie der beiden Orte auf der Seekarte. Die Mercator-Projektion ist ja winkelgetreu, aber nicht flächengetreu (damit kann man Entfernungen nicht direkt aus der Karte entnehmen, weil der horizontale Maßstab vom Cosinus der Breite anhängt).
  2. Ist die Entfernung zu groß und muss man die Kugelgestalt der Erde berücksichtigen, rechnet man nach der Methode der Loxodrome. Die wird man anwenden, wenn Start- und Zielort nicht auf der gleichen Karte eingezeichnet sind.
  3. Schließlich für sehr weite Entfernungen — wenn man über mehrere Zeitzonen den kürzesten Weg sucht — verwendet man die Methode der Orthodrome.
Unter realen Bedingungen benötigt der Navigator noch ein paar Anpassungen:

Das Treffpunktproblem

Das Handbuch "Seemannschaft", 24. Auflage, erläutert an dem folgenden Beispiel, wie man das Problem, einem bewegliches Ziel zu begegnen, durch Kartenkonstruktion lösen kann. Viel einfacher geht das mit dem Sinussatz und dem Rechenschieber.

Eine Motoryacht hat um 12.10h über Sprechfunk an Norddeich Radio gemeldet, dass sie infolge Motor­schadens in Not sei; um 12:15h gibt sie ihren Standort bei Leucht-Heultonne 1 an (φ = 53° 52,1′ N und λ = 007° 58,9′ E). Sie teilt gleichzeitig mit, dass sie bei ESE-Windstärke 6 und ablaufendem Wasser mit 2,5 kn in Richtung rw 290° treibe. Welchen Kurs muss eine andere Yacht, die um 12:15h bei der Leuchttonne Scharhörnriff steht (φ = 53° 58,6′ N und λ = 008° 08,8′ E), bei einer Fahrt von 8 kn steuern, und wie viel Zeit wird sie benötigen, um die in Not befindliche Yacht zu treffen?

Skizze

In so einem Falle wird man zunächst die bei­den Standorte in der Karte eintragen und die Peilung zum Havaristen feststellen. In der Skizze erkennt man sofort, dass die Fahrt­strecke, bzw. die Fahrt­ge­schwindig­keit des Helfers, zum Treffpunkt (grün) sich zu der Strecke (bzw. die Abtreibgeschwindigkeit), um die die rote Jacht abgetrieben wird (rot), verhält wie sin α zu sin γ. Der Winkel zwischen Südrichtung und Peilung der Jacht um 12:15h (42°, berechnet) und der Winkel zwischen Peilungslinie und Nordrichtung beim Havaristen ist identisch (Winkel an Pa­ral­le­len!). Damit ist der Winkel γ gleich 360° - Triftwinkel + Peilung = 360° - 290° + 42° = 112°. Daraus errechnet man den Winkel α, um den die Peilung um 12:15h zu korrigieren ist um den Steuerkurs zu erhalten. In der ersten Berechnung kann man die FdW (8 kn) des Helfers als seine Geschwindigkeit ein­setzen.
In einem zweiten Schritt wird dann die FüG des Helfers, die durch Strom- und Wind­be­schic­kung (2,5 kn, 290°) sich von der FdW unter­schei­den wird, berechnet und die erste Rechnung mit realistischen Ge­schwin­dig­keiten wiederholt.

1. Schritt
Der Winkel α ergibt sich aus der Gleichung:
  • Formel
Wegen sin (180° - γ) = sin γ rechnet man mit 68°;
  • sin α = (2,5 kn/8 kn) * sin 68° = 16,8°.
Der rwK des Helfers ist Peilung um 12:15: 222° + 17° = 239°
2. Schritt
  • Formel
  • Formel
  • FüGHelfer = sin 68°/sin 51° * 8 kn = 9,5 kn
Mit dieser FüG des Helfers kann man den Kurswinkel wie im ersten Schritt neu berechnen:
  • sin α = (2,5 kn/9,5 kn) * sin 68° = 14,1°.
Der zu steuernde rwK ist 222° + 14,1° = 236°.

Die Kurse des Havaristen und den Steuerkurs trägt man nun in die Karte ein, misst die Entfernung vom Standort zum Schnittpunkt und kann mit der FüG die voraussichtliche Zeit bis zum Treffen ausrechen. Die Entfernung der Schiffsorte um 12:15 h wird mit 8,74 sm berechnet; es gibt keine einfache Möglichkeit, die Entfernung zum Treffpunkt auszurechnen: das macht man mit der Karte.

Wenn während der Fahrt zum Treffpunkt der Wind dreht oder sich die Stromrichtung und -geschwindigkeit ändern, muss man die Berechnungen erneut vom Koppelort ausführen. Nach "Seemannschaft" wird zeich­ne­risch der Kurs zu 239° ermittelt. Dieser Kurs enthält aber noch keine Korrektur durch Beschickung, die im Rechenbeispiel gleich der Abdrift des Havaristen gesetzt wurde. Der durch Abdrift — wie sie hier festgestellt wurde — auf die Entfernung von ca. 10 sm verursachte Fehler beträgt knapp 0,5 sm.


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