• *) Das Glauben ist kein besonderer Erkenntnißquell. Es ist eine Art des mit Bewußtsein unvollständigen Fürwahrhaltens und unterscheidet sich, wenn es, als auf besondre Art Objecte (die nur fürs Glauben gehören) restringirt, betrachtet wird, vom Meinen nicht durch den Grad, sondern durch das Verhältniß, was es als Erkenntniß zum Handeln hat. So bedarf z. B. der Kaufmann, um einen Handel einzuschlagen, daß er nicht blos meine, es werde dabei was zu gewinnen sein, sondern daß er′s Glaube, d. i. daß seine Meinung zur Unternehmung aufs Ungewisse zureichend sei. — Nun haben wir theoretische Erkenntnisse (vom Sinnlichen), darin wir es zur Gewißheit bringen können und in Ansehung alles dessen, was wir menschliches Erkenntniß nennen können, muß das Letztere möglich sein. Eben solche gewisse Erkenntnisse und zwar gänzlich a priori haben wir in praktischen Gesetzen, allein diese gründen sich auf ein übersinnliches Princip (der Freiheit) und zwar in uns selbst, als ein Princip der praktischen Vernunft. Aber diese praktische Vernunft ist eine Causalität in Ansehung eines gleichfalls übersinnlichen Objects, des höchsten Guts, welches in der Sinnenwelt durch unser Vermögen nicht möglich ist. Gleichwohl muß die Natur als Object unsrer theoretischen Vernunft dazu zusammenstimmen, denn es soll in der Sinnenwelt die Folge oder Wirkung von dieser Idee angetroffen werden. — Wir sollen also handeln, um diesen Zweck wirklich zu machen.
  • Wir finden in der Sinnenwelt auch Spuren einer Kunstweisheit, und nun glauben wir: die Weltursache wirke auch mit moralischer Weisheit zum höchsten Gut. Dieses ist ein Fürwahrhalten, welches genug ist zum Handeln, d. i. ein Glaube. — Nun bedürfen wir diesen nicht zum Handeln nach moralischen Gesetzen, denn die werden durch praktische Vernunft allein gegeben, aber wir bedürfen der Annahme einer höchsten Weisheit zum Object unsers moralischen Willens, worauf wir außer der blosen Rechtmäßigkeit unserer Handlungen nicht umhin können, unsre Zwecke zu richten. Obgleich dieses objectiv keine nothwendige Beziehung unsrer Willkür wäre, so ist das höchste Gut doch subjectiv nothwendig das Object eines guten (selbst menschlichen) Willens, und der Glaube an die Erreichbarkeit desselben wird dazu nothwendig vorausgesetzt.
  • Zwischen der Erwerbung einer Erkenntniß durch Erfahrung (a posteriori) und durch die Vernunft (a priori) giebt es kein Mittleres. Aber zwischen der Erkenntniß eines Objects und der blosen Voraussetzung der Möglichkeit desselben giebt es ein Mittleres, nämlich einen empirischen oder einen Vernunftgrund die letztere anzunehmen in Beziehung auf eine nothwendige Erweiterung des Feldes möglicher Objecte über diejenige, deren Erkenntniß uns möglich ist. Diese Nothwendigkeit findet nur in Ansehung dessen statt, da das Object als praktisch und durch Vernunft praktisch nothwendig erkannt wird, denn zum Behuf der blosen Erweiterung der theoretischen Erkenntniß etwas anzunehmen, ist jederzeit zufällig. Diese praktisch nothwendige Voraussetzung eines Objects ist die der Möglichkeit des höchsten Guts als Objects der Willkür, mithin auch der Bedingung dieser Möglichkeit (Gott, Freiheit und Unsterblichkeit). Dieses ist eine subjective Nothwendigkeit, die Realität des Objects um der nothwendigen Willensbestimmung halber anzunehmen. Dies ist der casus extraordinarius, ohne welchen die praktische Vernunft sich nicht in Ansehung ihres nothwendigen Zwecks erhalten kann, und es kommt ihr hier favor necessitatis zu statten in ihrem eigenen Urtheil. Sie kann kein Object logisch erwerben, sondern sich nur [Seitenumbruch] allein dem widersetzen, was sie im Gebrauch dieser Idee, die ihr praktisch angehört, hindert.
  • Dieser Glaube ist die Nothwendigkeit, die objective Realität eines Begriffs (vom höchsten Gut) d. i. die Möglichkeit seines Gegenstandes, als a priori nothwendigen Objects der Willkür anzunehmen. — Wenn wir blos auf Handlungen sehen, so haben wir diesen Glauben nicht nöthig. Wollen wir aber durch Handlungen uns zum Besitz des dadurch möglichen Zwecks erweitern: so müssen wir annehmen, da dieser durchaus möglich sei. — Ich kann also nur sagen: ich sehe mich durch meinen Zweck nach Gesetzen der Freiheit genöthigt, ein höchstes Gut in der Welt als möglich anzunehmen, aber ich kann keinen Andern durch Gründe nöthigen; (der Glaube ist frei).
  • Der Vernunftglaube kann also nie aufs theoretische Erkenntniß gehen; denn da ist das objectiv unzureichende Fürwahrhalten blos Meinung. Er ist blos eine Voraussetzung der Vernunft in subjectiver, aber absolutnothwendiger praktischer Absicht. Die Gesinnung nach moralischen Gesetzen führt auf ein Object der durch reine Vernunft bestimmbaren Willkür. Das Annehmen der Thunlichkeit dieses Objects und also auch die Wirklichkeit der Ursache dazu ist ein moralischer Glaube oder ein freies und in moralischer Absicht der Vollendung seiner Zwecke nothwendiges Fürwahrhalten.

  • Fides ist eigentlich Treue im pacto oder subjectives Zutrauen zu einander, da einer dem Andern sein Versprechen halten werde, — Treue und Glauben. Das erste, wenn das pactum gemacht ist, das zweite, wenn man es schließen soll.
  • Nach der Analogie ist die praktische Vernunft gleichsam der Promittent, der Mensch der Promissarius, das erwartete Gute aus der That das Promissum.