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Gezeitenvorhersage für beliebige Zeiten

Für die Routenplanung im Gezeitenrevier ist es wichtig, zu berücksichtigen, ob man an Untiefen zur ge­plan­ten Ankunftszeit noch genügend Wasser unter dem Kiel haben wird. Hier ist das strategische Planen gefragt, denn man kann bei geschickter Zeit- und Kursplanung gegenüber dem "Drum­herum­fahren" Strecke und Zeit sparen. Da die Ankunftszeit über einer Untiefe von der Entfernung und der Ge­schwin­dig­keit abhängt, wird man auf einer Tagestour nicht alle Untiefen zum Zeitpunkt des Hochwassers passieren können - der Navigator muß abschätzen wie hoch die Gezeit zu beliebigen Zeiten über dem Kartennull stehen wird.

Sowohl die Gezeitentafeln des BSH wie die ATT geben den zeitlichen Verlauf der Wasserstände für Bezugs- und Anschlußorte als Grafiken an. Theoretisch müßte der Wasserstand ja einer Sinuskurve folgen, aber Stauungen an Meerengen, in Buchten und die Form des Meeresbodens können den Stieg und den Fall des Meeresspiegels beträchtlich verzerren. Glücklicherweise ist der Fehler, den man mit einer Sinusannäherung macht, für viele Orte geringer als die Unsicherheit, den die Was­ser­stands­vor­her­sage prinzipiell hat (z.B. Wind und Luftdruck). Einige Orte haben jedoch so komplexe Zeit-Was­ser­stands­kurven, daß eine näherungsweise Berechnung nicht möglich ist. Hier hilft dann nur noch das Verwenden der Grafiken im Gezeitenatlas.

Wieder gibt es einen Unterschied in den Daten des BSH und der Admirality.

Tidenkurven des BSH

Das BSH gibt zwei Kurven unterschiedlicher Höhe für Spring- und Nipptiden für Bezugsorte an. Alle dem Bezugsort zugerechneten Anschlußorte haben nahezu den gleichen Wasserstandsverlauf.

Tidenkurve

Der zeitliche Verlauf ist normiert auf den Zeitpunkt des Hochwassers und die Zeitachse gibt Stunden vor bzw. nach diesem Hochwasserzeitpunkt an. Die Höhen sind in Metern angegeben. Der Bezug zur ta­ges­aktuel­len Hochwasserstandvorhersage wird berechnet mit den in der Grafik angegebenen mittleren Höhen und Dauern.

Zunächst muß der Zeitabstand ΔZ der ak­tuel­len Zeit vom Zeitpunkt des Hochwassers am Anschlußort bestimmt werden. Dazu teilen wir die Differenz der (folgenden) Hochwasserzeit am Bezugsort und der aktuellen Zeit durch die Steigdauer am Bezugsort (Hochwasserzeit - vorangegangene Niedrigwasserzeit) und multiplizieren mit der mittleren Spring- bzw. Nippdauer (MSpD bzw. MNpD aus der Tidenkurve).

  • Formel für Zeitabstand

Mit dem so berechneten ΔZ gehen wir in den Grafen und entnehmen die Wasserhöhe HBezOrt am Be­zugs­ort zum Zeitpunkt ΔZ.

Die vorher berechnete wir die Hochwasserzeit und -höhe am Anschlußort müssen wir nun ins Verhältnis zum aktuellen Wasserstand am Bezugsort setzen.

  • Formel für Hochwasserhöhe

Dazu teilen wir die Differenz der vorher berechneten Hoch- und Niedrigwasserhöhen am Anschlußort durch die Differenz der mitteleren Hoch- und Niedrigwasserhöhen am Bezugsort, multiplizieren mit der Differenz des dem Grafen entnommenen Waserhöhe HBezOrt zum Zeitpunkt ΔZ und der mittleren Spring- bzw. Nipp-Niedrigwasserhöhe am Bezugsort, dazu addieren wir die (berechnete) Niedrigwasserhöhe am Anschlußort. Das Ergebnis der Rechnung ist der Wasserstand am Anschlußort zum Zeitpunkt ΔZ.

Tidenkurven der ATT

Die in den ATT angegebenen Tidenkurven sind bereits normiert, was man daran erkennt, daß die beiden Kurven für Spring- und Nipptide gleich hoch sind. Links neben der Kurve ist ein kariertes Feld für die grafische Auswertung abgedruckt.

Tidenkurve ATT

In diesem Rasterfeld trägt man die Punkte der vorher ermittelten Wasserhöhen für Hoch- und Nie­drig­was­ser am Anschlußort ein und verbindet die Punkte mit einer Linie (im Beispiel NWH = 1,1 m, HWH = 2,9 m). Nun berechnet man den Zeitabstand der aktuellen Zeit von der Hochwasserzeit am Bezugsort, geht von diesem Wert auf der x-Achse unter der Kurve noch oben zur Spring- bzw. Nipptidenlinie und dann nach links zu der eingezeichneten Geraden im Rasterfeld. Die Wasserhöhe zur aktuellen Zeit am Anschlußort liest man dann auf der oberen (oder unteren) x-Achse des Rasterfeldes ab.

Wem das zu umständlich ist — und wer weiß, daß die meisten Tidenkurven annähernd einer Sinusfunktion entsprechen — der kann auch eine eine Formel benutzen, die auf der nächsten Seite folgt.


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