Sphärische Trigonometrie

Das Poldreieck

Skizze Das sphärische Poldreieck hat den Pol des Kugel­koor­dinatensystems als eine seiner Ecken. Daraus folgt, dass zwei seiner Seiten Meridiane sind, die den Äqua­tor im rechten Winkel schneiden. ( Achtung: nur der Äquator ist von den Breitenkreisen ein Großkreis!)

Der Dreieckswinkel ∠APB = γ am Pol (er liegt der Seite c gegenüber) ergibt sich einfach aus der Län­gen­dif­fe­renz der Punkte A und B. Mit dem Hilfsdreieck (hier grün), dessen eine Kathete parallel zum Äquator liegt, sind die Berechnungen aller Seiten und Winkel möglich. Diese Kathete des grünen Dreiecks ist gleichzeitig eine Seite des gleichschenkligen Dreiecks mit dem Pol als der gegen­über­liegenden Ecke. Die andere Kathete ist der Kom­ple­mentärwinkel der Breite φB, bzw. die Brei­ten­dif­fe­renz φA - φB der beiden Punkte A und B.

In der reinen Lehre der sphärischen Trigonometrie gibt es noch das "Polardreieck" und das "recht­sei­tige" Dreieck (in Ergänzung zum rechtwinkligen). Beide scheinen nur theoretische Bedeutung für den Be­weis von Lehrsätzen zu haben. Eine Bedeutung in der Navigation habe ich nicht gefunden.

Das rechtwinklige sphärische Dreieck

Skizze

Am Beispiel eines rechtwinkligen sphärischen Dreiecks lassen sich die Zusammenhänge recht übersichtlich darstellen. Das rote Dreieck in der Abbildung rechts hat den rechten Winkel am Punkt C, denn dort schneidet ein Meridian den Äqua­tor. Vom Mittel­punkt M der Kugel mit dem Radius r = 1 sieht man alle Drei­ecks­seiten unter dem Winkel, der ihrer Länge entspricht.

(Der Um­fang U einer Kugel mit dem Radius r = 1 ist ein (Groß-)Kreis mit dem Umfang U = 2·r·π. Da r = 1 ist, gilt U = 2·π = 360°, und ein Kreissegment (z. B. b = AC) hat den Bruchteil b ⁄ 2·π am Gesamtumfang, der dem Bruchteil des Winkels b am Mittelpunkt M vom Ge­samt­um­fang U = 2·π entspricht.)

Legt man in der Ecke B des sphärischen Dreiecks ABC zwei Tan­gen­ten an die Kugel, so definiert man eine Ebene BFG. In einer weiteren zu BFG parallelen Ebene liege die Ecke A, und in einer dritten parallelen Ebene liege C. Die drei Ebenen schnei­den die Verbindungslinien des Kugelmittelpunkts M mit den drei Ecken des sphärischen Dreiecks ABC, und man erhält drei ähn­liche Dreiecke, die zusätzlich rechtwinklig sind: ADE, HCI und FGB. Mit ihrer Hilfe und den Keildreiecken mit dem Mittelpunkt der Kugel als eine der Ecken kann man die Formeln zur Berechnung der Stücke im sphärischen Dreieck herleiten.

  1. Mit dem Dreieck ADE:

    Im rechtwinkligen Dreieck AEM mit den Katheten AE und EM und der Hypotenuse MA = 1 ist der Winkel ∠AME = c, und damit (aus der Definition der Sinusfunktion) die Kathete AE = sin c, und die andere Kathete ME = cos c. Ebenso erhalten wir aus dem Dreieck ADM (Hy­po­te­nuse AM = 1): AD = sin b und DM = cos b. Das Dreieck DEM hat den rechten Winkel bei E (der Radius durch den Be­rüh­rungs­punkt steht auf der Tangente senkrecht) und die Hy­po­te­nuse DM = cos b. Das heißt: DE = cos b · sin a und ME = cos b · cos a. Nun hat man zwei Be­zie­hun­gen für ME, die man gleichsetzen kann:

    cos c = cos b · cos a

    oder in Worten:
    Im rechtwinkligen sphärischen Dreieck ist der Cosinus der Hypotenuse gleich dem Produkt der Cosinusse der Katheten.

    Damit ist es gelungen, nur durch Überlegungen an ebenen Dreiecken eine Beziehung der Seiten eines rechtwinkligen sphärischen Dreiecks auf der Kugel mit dem Radius r = 1 abzuleiten. Man nennt sie — weil sie so einfach ist — auch den sphärischen Pythagoras.

  2. Mit dem Dreieck HCI:

    Im Dreieck HCI ist die Strecke CI = sin a die Kathete des rechtwinkligen Dreiecks CIM, dessen Hy­po­te­nuse MC = 1 (Einheitsradius). Im rechtwinkligen Dreieck HCM ist CH die Kathete, CM = 1 die andere Kathete, und HM die Hypotenuse. Es gilt: sin b = CH ⁄ HM und cos b = CM ⁄ HM. Diese bei­den Gleichungen werden durcheinander dividiert: sin b ⁄ cos b = (CH · HM) ⁄ (CM · HM). HM kann man kürzen, und sin b ⁄ cos b = tan b. Da CM = 1 erhält man tan b = CH.

  3. Mit dem Dreieck FGB

    Im Dreieck FGB ist die Kathete BG = sin a. Mit den Mittelpunktsdreiecken BMG und FMB erhält man analog zu 2.: BG = tan a und FB = tan c.

Skizze

Um zu Beziehungen der Winkel im sphärischen Dreieck zu kom­men, betrachten wir das ebene blaue Dreieck ADE in der ver­ein­fach­ten Abbildung rechts. Der Winkel bei A im ebenen Drei­eck ent­spricht (≑) dem Winkel bei A im sphärischen: ∠BAC ≑ ∠EAD ≑ α (weil für die Längen der Katheten in den recht­wink­ligen Drei­ecken gilt: AC = AD = b und CB = DE = a, wobei a und b die Win­kel am Mittelpunkt M sind). Und da im ebenen recht­wink­ligen Dreieck die Winkelsumme 180° beträgt, ist auch ∠ABC ≑ ∠AED ≑ β (denn ∠ACB = ∠ADE = 90°).

Nun bemühen wir wieder die Definition der Winkelfunktionen im recht­wink­ligen ebenen Dreieck, und wählen die Definition der Tan­gensfunktion: tan β = AD ⁄ DE. Die Länge der beiden Ka­the­ten kennen wir aus der Herleitung des "sphärischen Pythagoras" oben auf der Seite: AD = sin b und DE = cos b · sin a. Das ein­gesetzt in die Tangensdefinition ergibt: tan β = (sin b) ⁄ (cos b · sin a) = (sin b ⁄ cos b) ⁄ sin a = tan b ⁄ sin a.

Mit der Gleichung

tan β = tan b ⁄ sin a

ist die Beziehung eines Winkels im rechtwinkligen sphärischen Dreieck zu den Längen der beiden Ka­the­ten hergestellt. Die gleichen Argumente kann man für den Winkel α anwenden. Man erhält so einen Satz von Gleichungen, mit denen man die Elemente im rechtwinkligen sphärischen Dreieck berechnen kann, wenn man nur zwei kennt.

Dieser Satz Gleichungen wurde von John Neper zusammen mit einer Merkregel und optimiert für die Be­rech­nungen mit der Logarithmentafel (und damit auch für den Rechenschieber!) im Jahr 1641 publiziert. Wir verzichten hier auf die ausführliche Herleitung und wenden uns dem schiefwinkligen sphärischen Drei­eck zu.



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