Quantitative AnalyseDie Bestimmung der Summenformel einer unbekannten Substanz begann mit der qualitativen Analyse der enthaltenen Elemente. Damit man wusste, welche Elemente man zu bestimmen hatte, machte man ein paar Vorproben. Brannte die Substanz mit z. B. rußender Flamme, so war sie "organisch", und man nahm die Elemente C, H und O als sicher an. Für Stickstoff gab es ein paar Prüfungen, ebenso für die Halogene Cl, Br, J. Metalle erkannte man an der Flammenfärbung. Wußte man gar nichts über die Herkunft der Substanz, konnte diese Phase der Untersuchung recht lange dauern und frustrierend sein. Nehmen wir an, in der gesuchten Substanz wurden zusätzlich N, Cl und Ag gefunden. Zur Bestimmung des Gehalts an C und H wurde eine genau abgewägte Menge der Substanz verbrannt und das Verbrennungsgas durch zwei ebenfalls gewogene Röhrchen geleitet. Das erste enthielt P2O10 auf einem porösen Trägermaterial (Asbest). Das P2O10 entzog dem Verbrennungsgas das Wasser; die Gewichtzunahme ergab die Masse des bei der Verbrennung aus H entstandenen Wassers. Das zweite Röhrchen enthielt feinverteiltes Ba(OH)2 und absorbierte das aus C entstandene CO2; hier ergab die Gewichtzunahme des Röhrchens die Menge des entstandenen CO2. Die quantitative Bestimmung von N war etwas trickreicher. Man leitete das Verbrennungsgas über glühendes Kupfer und dann durch Kalilauge und fing das Gas in einer Bürette auf. Das glühende Kupfer entzog dem Gas den Sauerstoff, die Kalilauge das CO2 und das Wasser. Aus dem Gasvolumen konnte man dann die Menge Stickstoff in der Probe berechen (wenn man den Luftdruck und die Temperatur genau kannte). Das Silber wird mit Salpetersäure freigesetzt und aufgelöst. Dann fällt man AgCl als Niederschlag, trenn den ab und trocknet ihn und wägt die Festsubstanz. Auch Cl wird durch das Wägen eines AgCl-Niederschlags bestimmt.
Zunächst muss man die Volumenangabe für Stickstoff in eine Gewichtsangabe umrechnen. Da man recht einfach auf 0,0001 g wägen konnte, reicht die Genauigkeit des Rechenschiebers leider nicht aus. Man griff zur Logarithmentafel. Die Dichte ρ;N trockenen Stickstoffs bei 0°C und 760 mmHg (in SI-Einheiten: bei einer Temperatur von 273,15 K und einem Druck von 1.013,25 hPa) ist ρN = 1,2505 mg·ml-1, da bei 273,15 K und einem Druck von 1.013,25 hPa 1 Mol (28 g) Stickstoff ein Volumen von 22,414 L (Molvolumen) einnimmt. Der Wärmeausdehnungskoeffizient α = 0,003671 t-1. Der Zusammenhang zwischen Druck p, Temperatur T und Volumen V eines Gases wird durch die Zusatndsgleichung beschrieben: p · V = n · R · T (R ist die universelle Gaskonstante (R = 8,314 J · mol-1 · K-1), n die Anzahl Mol). Für eine andere Temperatur t und einen anderen Druck p gilt dann p · v = p0 · v0 · (1 + α · t), dabei sind p0 und v0 Druck und Volumen bei Normalbedingungen. (Die Formel gilt auch für andere Dimensionen der Größen, die Faktoren sind dann aber andere.) Da man früher solche Berechnungen sowieso mit Logarithmentafeln ausführen musste, liegt es nahe, alle möglichen Tabellen zur Erleichterung anzulegen. Ich verwendete den "Küster - Thiel - Fischbeck: Logarithmische Rechentafeln, 99. Auflage, Berlin 1965." und der bezieht sich was die Rechenanleitungen angeht ausdrücklich auf "Ostwald - Luther, Hand- und Hülfsbuch zur Ausführung Physiko-Chemischer Messungen". Die Rechenregel ist mit der Umformung und der Einführung eines Faktors auf das Nachschlagen von log-Werten und ihre Addition der log-Werte reduziert.
Man formt die obige Gleichung um und löst nach v0 auf: Nun kann man das auf Normalbedingungen reduzierte Volumen des bei 12 °C und 748 Torr aufgefangenen Stickstoffgases nach der o. g. Formel berechnen. Multipliziert man es mit der Dichte, erhält man das Gewicht, und mit dem Gewicht der analysierten Probe hat man schließlich den Gehalt an Stickstoff in der Substanz.
Da man die anderen Elemente als Bestandteile von Verbindungen gewogen hat, muss man den Gehalt des gesuchten Elements am Niederschlag bestimmen. Auch hier hat der "Küster - Thiel - Fischbeck" entsprechende Tabellen der Element-Faktoren mit ihren Logarithmen bereit. Für den Silberchlorid-Niederschlag (MGAgCl = AGAg + AGCl = 107,87 + 35,453 = 143,32) ist der Faktor für Silber fAg = 35,453 ⁄ 143,32 = 0,7526, und der für Chlor fCl = 0,2474. Alle Ergebnisse werden nun in einer Tabelle zusammengefaßt und durch Addition der Logarithmen ausgewertet:
Damit ergibt sich die wahrscheinliche Formel der analysierten Substanz: C22H21ClAgN3O5. Ob das die Formel ist, oder alle Verhältnisse mit einer ganzen Zahl zu Multiplizieren sind, findet man durch eine Molekulargewichtsbestimmung.
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