Entfernungs- und Abstandsbestimmungen

Der Navigator kennt folgende Entfernungsbestimmungen:

  1. mit Höhenwinkelmessung:
  2. mit Horizontalwinkelmessung:

Kimmtiefe

Aus der Astronavigation kennt man den Begriff der "Kimmtiefe". Das ist der Winkel τ zwischen der Hori­zon­talen (scheinbarer Horizont) und der Blickrichtung zur Kimm. In der Abbildung ist der Zu­sam­men­hang des Winkels τ von der Augeshöhe h für zwei unterschiedliche Höhen dargestellt (h1 und τ1 bzw. h2 und τ2).

Schema Der Kimmtiefe τ entspricht im Bogenmaß die Länge des Bogens zwischen dem Fuß des Be­ob­ach­ters und der Kimm (= Be­rüh­rungs­punkt der Blick­tan­gente mit der Erd­ku­gel). Denn die Schenkel der Winkel am Auge des Be­ob­ach­ters und am Erd­mit­tel­punkt stehen paar­wei­se auf­ein­an­der senkrecht. Der Winkel (90° - τ) ist daher der spitze Winkel im recht­wink­ligen Drei­eck, und deshalb ist

  • sin (90° - τ) = R ⁄ (R + h) = cos τ.

Da cos τ sehr klein ist, rechnet man in Bo­gen­minu­ten um (· 60) und hat die Kimm­ent­fer­nung in sm. Diese Methode hat den Vorteil, man kann die Refraktionskorrektur anbringen. Das ist in Bogenminuten ja 1/12 oder 8% der Ent­fer­nung in sm. Man zählt also 8% zu

  • R ⁄ (R + h) · 60 dazu.

Das Seglerlexikon von Joachim Schult (Delius Klasing, 1998) gibt eine Faustformel für den Winkel τ (in Grad, Augeshöhe in Metern):

  • Formel.

Die Wurzel der Augeshöhe entsteht durch folgende Näherung. Für kleine Winkel (< 5°) kann man für den Cosinus eine Näherungsformel anwenden:

  • Formel.

Für R setzen wir in Metern:

  • Formel,

da der Erdumfang ja 360 · 60 Seemeilen umfaßt. Die beiden Formeln werden zusammengeführt:

  • Formel
und nach τr aufgelöst.
  • Formel.

Da h sehr viel kleiner ist als R, setzen wir für R + h nur R. Für R setzen wir den obigen Ausdruck ein:

  • Formel

Hierbei ist die Refraktion noch nicht berücksichtigt. Dazu müssen wir τ in Bogenminuten umrechnen und 8% abziehen (wir sehen ja wegen der Refraktion weiter, und der Winkel kommt zu groß heraus). Mul­ti­pli­zie­ren wir also den Faktor 0,032 mit 60 und dividieren wir durch 1,08. Das Ergebnis ist 1,777; sollte das Seglerlexikon in seiner 10. Auflage einen Druckfehler haben? Es hatte, und er ist in neueren Auflagen korrigiert.

Beispielrechnung

Bei einer Augeshöhe von 2,5 m (sitzend im Cockpit) beträgt die Kimmtiefe in Bogenminuten arccos(6.371.000/6.371.002,5) = 0,051° = 3'. Man sieht man den Horizont in der Kimmentfernung von 3′ · 1,08 = 3,29 sm (mit dem Taschenrechner). Nach der Faustformel ergibt sich 3,28 sm (mit dem Rechenschieber), in der Kimmentfernungstabelle aus der Admirality List of Lights findet man 3,2 sm.

Kimmentfernung

Auf der Kugel hängt die Entfernung zum sichtbaren Rand (Horizont, Kimm) von Radius der Kugel und von der Höhe des Betrachters ab.

Skizze Die Sichtlinie ist die Tangente der Kugel (Kreis) und der Radius zum Berührungspunkt der Tan­gen­te steht auf der Tangente senkrecht. Wir erhalten also ein rechtwinkliges Dreieck Auge - Kimm - Erdmittelpunkt. Die Entfernung Auge - Kimm rechnen wir mit dem Pythagoras aus (geht nicht mit dem Rechenschieber, aber mit dem Taschenrechner):

  • Formel.

Zur Berücksichtigung der Refraktion addieren wir 8% (oder 1 ⁄ 12) der Entfernung. Es gibt auch eine Faustformel für die Kimmentfernung:

  • Formel.

Diese Formel ähnelt der für die Kimmtiefe, nur der Faktor ist unterschiedlich:

  • Formel.

Von der Kimmtiefe zur Kimmentfernung hatten wir eine Refraktionskorrektur von +8% angebracht. Die Faustformel korrigiert mit +16%. Zwischen diesen beiden Werten wird die Wahrheit liegen, aber wo da­zwi­schen sie liegt, hängt von der Lufttemperatur und der -feuchtigkeit ab. Beide Methoden sind nur Schät­zun­gen mit einer großen Unsicherheit. Trotzdem kann man herrlich über die dritte Kommastelle des Fak­tors streiten.

Rechenbeispiel

Bei einer Augeshöhe von 2,5 m (Erdradius 6.371.000 m) erhält man eine Kimmentfernung von 6.095 m = 3,29 sm. Nach der Faustformel erhält man 3,28 sm.


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