Wilhelm Ostwald wurde am 12. Januar 1905 von der Berliner Akademie zum korrespondierenden Mitglied gewählt. Die Wahl erfolgte auf Betreiben von Jacobus Hendricus van′t Hoff (Mitglied seit 07.11.1895), den Vorschlag unterstützten Hans Landolt (Mitglied seit 07.07.1881) und Emil Fischer (Mitglied seit 10.11.1892).
Wahlvorschlag für Wilhelm Ostwald (1853 - 1932)
zum Korrespondierenden Mitglied
Die Unterzeichneten beehren sich, Herrn Professor Friedrich Wilhelm Ostwald zu Leipzig als Korrespondenten für das Fach Chemie vorzuschlagen.
Ostwald ist am 2. September 1853 zu Riga geboren und auch dort erzogen. In Dorpat hat er sich ausgebildet, besonders unter Leitung von Lemberg, von Oettingen und Carl Schmidt, und reichte 1877 und 1878 die Magister- und Doktordissertation ein. Im Jahre 1881 übernahm er die chemische Professur am Polytechnikum zu Riga, 1887 diejenige für physikalische Chemie in Leipzig.
Die Forschertätigkeit Ostwalds richtete sich zunächst auf das Affinitätsproblem, und eine Reihe diesbezüglicher Messungen, welche sich wesentlich auf die Stärke der Säuren beziehen, an Hand der Aenderung von Volum und Brechung bei der Neutralisation, von katalytischer Wirkung, u.s.w., führt zur Aufstellung einer Affinitätstabelle. Hier greifen dann die Auffassungen von Arrhenius ein, aus welchen Ostwald sein Verdünnungsgesetz ableitet und in der darin funktionierenden Dissociationskonstanten einen präcisen Ausdruck für die Stärke einer Säure findet, welche er für über 300 Säuren bestimmt.
An die Leitfähigkeitsforschung schliesst sich die Bestimmung der elektromotorischen Kraft, und auch hier wird alsbald eine reiche Ernte erzielt; die elektrolytische Dissociation des Wassers wird zum ersten Male quantitativ festgestellt, eine sehr einfache Methode zur Bestimmung von kleinen Löslichkeiten wie von Chlorsilber ausgearbeitet, während unter Ostwalds Leitung durch Bredig und Knüpffer eine Beziehung zwischen elektromotorischer Kraft und Gleichgewichtskonstante geprüft und bestätigt wird.
In neuerer Zeit beschäftigt Ostwald sich vorwiegend mit Reaktionsgeschwindigkeit, besonders unter Einfluss von Katalysatoren. Kam es hier nicht zu Verallgemeinerungen, so sind doch eine Reihe von interessanten Thatsachen und Messungen gewonnen worden, von welchen nur das photographische Reproduktionsverfahren ohne Licht, die Katatypie, und die Messungen der Geschwindigkeit der Knallgasverwandlung durch kolloidales Platin, von Bredig ausgeführt, erwähnt seien, sowie auch die Verfolgung der Periodicität beim Angriff des Chroms durch Säuren.
Die daneben entwickelte schriftstellerische, organisatorische und Lehrtätigkeit ist ein ganz ausserordentliche und sehr nützliche gewesen. Das grosse Lehrbuch der allgemeinen Cheime bildet ein unentbehrliches Nachschlagewerk auf diesem gebiet, die Zeitschrift für physikalische Cheime ist ein Centralorgan geworden, und auch durch seine Klassikerausgabe hat Ostwald viel beigetragen, um die Forschertätigkeit von anderen zum Gemeingut zu machen.
Unter den jetzigen Chemikern ist Ostwald unbedingt eine der meist hervorragenden Figuren in allen Weltteilen, deren Summe von Arbeit auch von den Vorgängern nur selten erreicht ist.
J. H. van't Hoff
Landolt
Fischer
Quelle: Archiv der Akademie der Wissenschaften der DDR, II-IIIb, Bd. 18, Bl. 86-87. (zitiert nach: Heinz Stiller (Hg.), "Chemiker über Chemiker", Akademie-Verlag, Berlin 1986.)
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